Drei Gründe, warum House of Cards längst nicht so gut ist wie sein Ruf



Mit seiner Serie House of Cards hat die amerikanische Online-Videothek Netflix Internet-Geschichte geschrieben: die erste wirklich erfolgreiche und hoch dekorierte Serie, die exklusiv für das Netz produziert wurde. Jetzt startet die Serie in Deutschland. Doch sie ist trotz allen Lobs künstlerisch eine Enttäuschung.

Zugegeben: Die ersten Folgen sind interessant anzuschauen. Man kann sich ergötzen an Kevin Spaceys Darstellung des abgrundtief bösen Kongress-Mehrheitsführers Frank Underwood. Doch schon schnell schleift sich der erste Reiz ab und die Serie entpuppt sich als oberflächlich und langweilig. Hier die wichtigsten drei Mängel:

Flache Charaktere: Keine der Figuren entwickelt sich im Laufe der Serie innerlich weiter. Können die Figuren auch gar nicht, da sie von Anfang an ohne Konflikte angelegt worden sind und von den Autoren absichtlich eindimensional motiviert wurden. Frank Underwood nimmt einfach nur Rache für eine ausgebliebene Beförderung, seine Frau Claire kämpft ausschließlich für ihre eigenen Karriere und den Ausbruch aus dem Schatten ihres Mannes, Reporterin Zoe Barnes lebt einzig für ihre Karriere als Politik-Reporterin und bezahlt dafür jeden Preis, inklusive einer Affäre mit dem widerlichen Frank. Die Konflikte der Figuren spielen sich nur untereinander ab, nicht aber in ihnen selber. So legen Autoren eine Serie an, wenn sie einen Publikumserfolg erzwingen wollen. Ambivalente Charakter werden von vielen Zuschauern nicht verstanden. Sicherer fährt man, wenn man Konfliktlinien nur zwischen Figuren schafft. Die Kost wird dadurch für ein Millionenpublikum verträglicher. Innere Konflikte dennoch populär zu machen und Charakterentwicklungen vor einer riesigen Fangemeinde nachzuzeichnen, beherrscht zum Beispiel Vince Gillgan mit Breaking Bady, aber nicht das Team von House of Cards. Besonders ärgerlich ist die Rolle der von Robin Wright gespielten eiskalten Ehefrau Claire Underwood. Selbst Robin Wrights schauspielerisches Repertoire reicht zu mehr als diesem eindimensionalen, unterkühlten Lady Macbeth-Verschnitt.

Simplizistische Sicht auf Politik: House of Cards ist als Schauermärchen angelegt für frustrierte Wähler, die immer schon wussten: „Washington is broken and nobody is going to fix it.“ Idealisten und aufrechte Politiker gibt es im wahren Leben, aber nicht bei House of Cards. Alles ist böse, alles egoistisch, alles schlecht. Die Serie für Nichtwähler. Mit dem klugen, differenzierten Bild, das Aaron Sorkins „West Wing“ zeichnet, kann House of Cards nicht mithalten. Interessant wird Politik für das Fernsehen, wenn man es als das zeichnet, was es ist: Gute Menschen, die an den Umständen scheitern und zu schlechtem Verhalten gezwungen werden, oft ohne sich dessen bewusst zu sein oder – noch interessanter – in ständiger, aber aussichtsloser Auflehnung gegen die Schwerkraft der Verhältnisse zu leben. Nichts davon bei House of Cards. Frank ist böse – basta. Eine Prämisse, ein Axion. Damit wird Politik nicht erklärt, sondern verschleiert. Wer House of Cards schaut, zieht daraus den Schluss, dass alles gut wird, wenn man zynische Machtpolitiker einfach abwählt. In Wahrheit wird dadurch gar nichts gut.

Billige Effekte: Um auf Nummer sicher zu gehen, bricht House of Cards gezielt Tabus, die aber selbst im Kabelfernsehen, geschweige denn im Internet lange schon nicht mehr bestehen. Auf aufdringlichsten wirken die Sexszenen zwischen Frank und Zoe. Von Kevin Spaceys wunderbar diffenziertem Spiel in „American Beauty“ – eigentlich einer ähnlichen Rolle – ist nichts mehr übrig. In House of Cards macht er sich grob als wilder Lüstling über die junge Reporterin her. Jeder quotenträchtigen Anweisung des Regisseurs leistet er bedingungslos Folge, und sei es mit ziemlich deutlich gezeigtem Cunnilingus, während Zoe mit ihrem Vater telefoniert. Erotik gibt es nicht in House of Cards, nur abstoßenden Instant-Sex machtgieriger Menschen, die sich gegenseitig für ihr Fortkommen benutzen. So wie sich Joe und Mary aus Minneapolis das korrupte Washington eben vorstellen – ohne jemals da gewesen zu sein.

Empfehlung: Vier Folgen anschauen, dann abbrechen.

Fotos: Netflix



 

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