Sigmar Gabriel und Eric Schmidt im Dialog: „Warum liest Google Emails mit?“



In Berlin gab es vorgestern Abend eine spannende Podiumsdiskussion: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel diskutierte auf dem Podium mit Google-Chairman Eric Schmidt. Hier einige kurze Beobachtungen:

Vor einigen Jahren trat Eric Schmidt in der Großen Aula der Humboldt Universität auf, unter anderem, um die Investition in das Google-Institut an der Juristischen Fakultät vorzustellen. Der berstend vollgepackte Saal empfing ihn mit Wärme, Begeisterung und Neugierde. Die Studenten hingen an seinen Lippen und quittierten viele Sätze mit Beifall. Kritische Fragen gab es kaum.

Im Großen Saal des Bundeswirtschaftsministeriums an der Invalidenstraße traf Eric Schmidt vorgestern auf eine deutliche kühlere Stimmung, ja auf spürbare Ablehnung. Fast alle Fragen aus dem Publikum setzten sich kritisch mit Google auseinander. Nahezu alle offenen Flanken des Konzerns kamen zur Sprache: Datenschutz, Steuern, Urheberrecht, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung und Selbstbevorzugung. Ich habe mit Eric Schmidt selbst nicht gesprochen, vermute aber, dass ihm aufgefallen sein wird, wie fundamental die Stimmung sich geändert hat.

Dabei hatte Schmidt sich in seiner kurzen Eingangsrede viel Mühe gegeben, die alte Magie seiner Argumentationslinie aufleben zu lassen. Sie basiert auf einer Reihe von Gleichsetzung seines Unternehmens mit Werten und Idealen, denen jeder zustimmen kann. Er platziert Gleichheitszeichen zwischen Google und Innovation, Google und dem Internet, Google und den Interessen des Publikums, Google und der Freiheit. Diese rhetorische Figur gerät allerdings immer mehr in Widerspruch zum erlebten Verhalten des Unternehmens. Was vor wenigen Jahren noch glaubwürdig klang, wirkt jetzt wie eine Ausweichbewegung.

Dies wohl ahnend, sattelte Schmidt eine Strategie der Miniaturisierung obenauf. Er redete Google klein, indem er es als Übergangserscheinung darstellte und einen von unendlich vielen Wegen ins Internet darstellte. Amazon ist nach seinen Worten mächtiger, weil mehr Suchen bei Amazon begönnen als bei Google. Schon bald könne Google wieder verschwunden sein, denn – so sein Argument – auch andere Giganten der Technikgeschichte seien untergegangen.

Diese Argumentationslinie verfängt allerdings kaum noch vor einem Publikum, das in den vergangenen Jahren durch einen Prozess der Aufklärung und des kritischen Hinterfragens gegangen ist. Denn inzwischen hat sich herum gesprochen, dass Google die Gefahr des eigenen Untergangs extrem bewusst reflektiert und zum Kernthema seiner Handelns gemacht hat. Nahezu alles, was Google strategisch unternimmt, vor allem der erfolgreiche Versuch, das Suchmaschinenmonopol zum Aufbauen neuer Monopole in benachbarten Märkten zu nutzen, entspringt der Einsicht in die eigene Sterblichkeit.

Da Schmidt seinem Publikum die strategische Schlussfolgerung aus dem verschweigt, was er beschwichtigend als Versprechen der Sterblichkeit vorträgt, muss der aufgeklärte Zuhörer sich vorkommen, als würde er nicht ernst genommen und ein wenig hinters Licht geführt. Dies mag dazu beigetragen haben, den Saal in seiner Mehrheit gegen Google einzunehmen.

Signar Gabriel erwies sich als glänzend vorbereitet und schlagfertig. Er hatte seinen Stoff gelernt und ging aus den meisten Dialogabschnitten als Punktsieger hervor. Zum Beispiel beim Datenschutz:

Gabriel: „Warum liest Google bei Gmail die Post mit?“

Schmidt: „Wir lesen keine Post mit. Das machen Computer, die den Inhalt nicht verstehen.“

Gabriel: „Wenn Sie den Inhalt nicht verstehen, wieso können Sie dann Besitzer von Kinderpornografie der Polizei melden, die sich per Email verraten haben?“

Clever gemacht. Schmidt setzte dem nichts entgegen. Gabriel dann weiter: „Mitlesen von Post ist nach unserem Verständnis keine Aufgabe von Privatunternehmen, sondern fällt unter das staatliche Gewaltmonopol. Unsere Verfassung mag aus dem analogen Zeitalter stammen, aber sie gilt im digitalen Zeitalter trotzdem genau so.“

Elegant auch Gabriels Bonmot: „Ich bewundere Google, aber ich bewundere auch Autoingenieure. Trotzdem bin ich für Regeln im Straßenverkehr.“

Höhepunkt des Abends war nach meinem Eindruck eine Frage von Gerd Billen, dem Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherschutzministerium. Billen hat sich, wie er in seiner Frage einleitend hervorhob, in den vergangenen Monaten intensiv mit der Selbstbevorzugung Google-eigener Produkte in den Suchergebnislisten beschäftigt. Er formulierte seine Frage so:

Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die Sie mit Ja oder Nein beantworten können: Ist Google bereit, seine Wettbewerber beim Preisvergleich in den Suchergebnislisten genauso zu behandeln wie sein eigenes Produkt Google Shopping, also nur nach Kriterien der Relevanz und Qualität?

Eric Schmidt begriff die hohe politische Relevanz der Frage nicht, vermutlich, weil er nicht wusste, wer Gerd Billen ist. Er antwortete ausweichend und unverbindlich, erkennbar in dem Bemühen, die Praxis der Selbstbevorzugung nicht aufzugeben:

Ich bin sicher, dass Google alle einschlägigen Gesetze strikt einhält.

Sigmar Gabriel reagierte darauf sofort und sprang Gerd Billen zur Seite:

Ich muss feststellen, lieber Eric Schmidt, dass Sie Gerd Billens Frage nicht beantwortet haben. Er hatte sie um ein klares Ja oder Nein gebeten. Da Sie jetzt selbst auf Gesetze verweisen, statt mit Ja oder Nein zu antworten, muss ich Ihnen sagen, dass es ein solches Gesetz nicht gibt, das Google zur fairen Behandlung der Wettbewerber zwingt. Aber wir können ein solches Gesetz jederzeit schaffen. Das ist gar kein Problem. Dann machen wir das halt. Lieber aber wäre es mir, wir müssten nicht regulieren. Das ist für uns als Politiker immer einfacher. Doch wenn Unternehmen erkennbar nicht bereit sind, sich an Regeln der Fairness zu halten und stattdessen ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen, müssen wir entsprechende gesetzliche Vorschriften eben schaffen.

Eric Schmidts Auftritt im Wirtschaftsministerium hat somit einiges dazu beigetragen, eine vernünftige Regulierung von Internetmonopolen nähe rücken zu lassen.

 

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