Innere Sicherheit: Protokoll eines Autoaufbruchs in Berlin



Aktualisiert Mal ein ganz anderes Thema: Berlins innere Sicherheit. Die Stadt diskutiert über Totschläger in der U-Bahn, brennende Autos und immer mehr Autoaufbrüche. Auch ruhige Viertel sind hiervon mehr und mehr betroffen. In London, schockiert von den Gewaltexzessen, scheint sich eine Mehrheit für Zero-Tolerance-Politik ähnlich amerikanischer Großstädte herauszubilden. Wie läuft es in Berlin? Das Thema interessiert mich jetzt auch ganz persönlich, weil heute morgen gegen 9 Uhr – am hellen Tag – die B-Klasse meiner Frau vor unserer Haustür im ruhigen Südwesten aufgebrochen wurde: Scheibe eingeschlagen, Navigationssystem heraus gerissen. Im Haus alles voller Leute, die aber nicht schnell genug einschreiten konnten. Eine Sache weniger Minuten, eine schwere Straftat. Wie reagiert die Polizei?

Weil an diesem Beispiel wohl leider klar werden wird, dass in Berlin de facto Maximum-Tolerance-Politik herrscht, dokumentiere ich ab jetzt fortlaufend die Kontakte (vorwiegend meiner Frau) zu Polizei, Behörden und sonstigen Stellen.

Kurz nach der Tat, 19. August 2011: Anruf bei der zuständigen Polizeiwache Augustaplatz. Mitteilung der Polizei: Bei Bagatelldelikten wie Autoaufbrüchen rückt keine Streife aus. Wir möchten bitte selbst zur Wache kommen, um Spuren sicherzustellen. Unsere Antwort: Spuren werden doch eher am Tatort und am Auto sein. Da müsse die Spurensicherung wohl am Tatort stattfinden. Antwort Polizei: Nein, zum Tatort könne niemand kommen. Man möge den Wagen bitte zur Wache bringen. Unsere Antwort: Aber allein durch die Fahrt dorthin würden Spuren im Wagen doch verwischt. Antwort Polizei: Es könne trotzdem niemand kommen. Bitte den Wagen bringen.

19. August 2011, 11:20 Uhr. Polizeiwache Augustaplatz: 6 Polizisten, 1 Polizistin im einsehbaren Bereich der Wache. Keine Kundschaft. Trotz des sichtbaren Personals sah man sich offenbar außer Stande , zum Tatort zu fahren. Aufnahme der Anzeige. Besichtigung des Wagens. Die Beamtin schaut den Wagen nur von außen an. Frage, ob sie Spuren sichern möchte. – Nein, geht nur auf glatten Oberflächen. – Zum Beispiel? – Auf Glasscheiben. – Abfahrt ohne Spurensicherung.

19. August 2011, 13:20 Uhr Mercedes-Benz-Niederlassung: Es gab heute viele Autoaufbrüche. Viele Kunden haben sich gemeldet. Die Versicherung bezahlt keinen Mietwagen. Das bleibt auf jeden Fall schon einmal an uns hängen.

Bilanz aus Tätersicht bis jetzt: Offenbar viele Navigationssysteme auf der Habenseite. Polizei an den Tatorten unsichtbar. Null Verfolgungsdruck. Erfolgreicher Morgen.

19. August 2011, Nachmittag. Ein Nachbar wenige Häuser weiter berichtet, dass sein Wagen im letzten Jahr zweimal aufgebrochen worden ist. Es stand auf der Straße. Seitdem parkt er auf dem Grundstück. Dort ist es jetzt aufgebrochen worden. Radio und Navi weg. Ein weißer Lieferwagen mit zwei Männern parkt weiter unten auf der Straße. Gärtner? Autodiebe auf der Lauer?

19. August 2011, Abend. Viele Nachbarn fahren ihr Auto aufs Grundstück, mehr als sonst. Die Polizei unsichtbar. Die Anwohner vorsichtig. Die Diebe flüchtig. Die Stimmung: “Gut, die Autos knacken sie, aber den Menschen werden sie schon nichts tun und in die Häuser nicht einbrechen.” Die Freiheit ist etwas kleiner geworden, die pax civilis etwas geschrumpft. Maximum Tolerance heißt nichts anders, als dass die Freiheit unmerklich schwindet.

21. August 2011. Die FDP plakatiert: Warum verfolgt das Ordnungsamt weder Hundekot noch Graffiti? Weil es mit Knöllchenschreiben ausgelastet ist. In unserer Sache herrscht Stillstand. Nichts von von der Polizei gehört.

22. August 2011. Zwei Polizisten stehen neben dem Zebrastreifen der Schule. Sie beobachten streng, dass niemand falsch parkt, niemand abseits des Streifens quer über die Straße geht und dass Fußgänger Vortritt haben. Es gibt nichts für sie zu tun. Die schiere Präsenz führt zu regeltreuem Verhalten.

Wird fortgesetzt …

In Kreuzberg. Foto: Annabelle Wick



 

14 Kommentare

 
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    Sie haben das halt völlig falsch angestellt.
    Für ein geklautes Navi interessiert sich seitens der Obrigkeit niemand.
    Einfach mal erwähnen, das da auch so ein paar zweckdienlichere Sachen mit gestohlen worden sind.
    Sowas wie einige dutzend Kilo Dünger, gewisse Reinigungsmittel und sowas.
    Der Herr Bundesinnenbedrohungsminister persönlich hätte die Taskforce vorbeigeschickt.

     
     
  14. parker

    krasse story -.-

    aber wie sie schon meinten, dass ist kein deutsches, linkes oder berlinerisches problem. das gibt es auf der gazen welt. was es auch nicht besser macht.

    sowas wird eh alles als ausländer und jugendkriminalität wahrgenommen und nicht als das gesellschaftliche problem, das es ist. :(

     
     

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