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Ein Verlags- und Musikmanager wird Chief Executive Officer bei Christie’s, einem der ältesten und traditionsreichsten Kunst-Auktionshäuser der Welt. Diese Nachricht erzeugte Aufsehen vor einem Jahr und rief in der Kunstwelt manche gehobene Augenbraue hervor. Was wollte Francois Pinault – Unternehmer, bedeutender Kunstsammler und seit 1998 Mehrheitseigentümer von Christie’s – mit dieser Berufung erreichen? Wie würde ein Medienmanager ein Kunsthaus führen können, ein Mann zwar, der belesen ist und privat Kunst sammelt, es aber nach eigenem Urteil nicht mit der Expertise der Christie’s-Fachleute aufnehmen kann? Für die Sendereihe „Chefsache“ bei N-tv – eine redaktionelle Kooperation mit der WELT – habe ich Murphy am Londoner Stammsitz der Firma in der King Street besucht, interviewt und porträtiert. Es ist Murphys erstes größeres Fernsehinterview seit Amtsantritt.

Erlebt habe ich einen klugen und selbstreflektierenden Mann, der sich seiner besonderen Rolle als Neuankömmling in der Kunstwelt bewusst ist und gerade daraus seine Stärke bezieht. Wir sprechen über Wachstumsstrategien und neue Märkte, aber auch über die Bedeutung des Originals in einer Welt voller digitaler Kopien. Er kennt Walter Benjamins „Das Kunstwerk seiner technischen Reproduzierbarkeit“ und hat viel über die Aura des Originals nachgedacht. Wenn Originale immer neue Rekordpreise erzielen, obwohl perfekte Drucke und Bildschirmfotos in höchster Auflösung für wenig Geld überall zu haben, dann wird Benjamins These heute eindrucksvoller bestätigt denn je. Auch Benjamins Flucht und sein trauriges Ende in Portbou sind Murphy vertraut. Proust hat er gelesen, und ist in dem Maße empfindsam, wie man es bei Christie’s sein sollte, wo der Legende nach Gentlemen versuchen, Kaufleute zu sein, während beim Konkurrenten Sotheby’s Kaufleute sich bemühen, Gentlemen zu sein. Als Murphy Mitte 50 war, kündigte er seinen Job, fuhr durch die Welt, landete mit einem Freund in Indien in einem wogenden Weizenfeld und starrte einen Nachmittag lang gebannt auf das Licht, den Weizen, den Feldweg. Der Moment veränderte sein Leben, sagt er. Ein aufs Gewinnen und auf Gewinn trachtender Manager ist er trotzdem, oder gerade deswegen. Pinault hat ihm ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt.

 

Für mich am eindrucksvollsten war der Gang durch die Kellergewölbe, in dem die Kunstschätze für kommende Auktionen lagern. Ein Labyrinth von Gängen, von denen links und rechts die Schatzkammern abgehen. In eine führte Murphy uns hinein. Drei Richters aus drei unterschiedlichen Werkphasen wurden dort gerade untersucht und taxiert. Wir fragten einen der drei anwesenden Experten, einen Mittdreißiger, nach Taxe und Bedeutung der Bilder. Der Mann hielt aus dem Stand den besten Vortrag über Richter, den ich je gehört habe. Von solchen Leuten lebt Christie’s. Murphy steuerte die passende Anekdote bei: „Als wir kürzlich eine spektakuläre Einlieferung bekamen, rief ich den zuständigen Mitarbeiter an und gratulierte ihn. Dann fragte ich ihn, wie er dieses bedeutende Bild für uns gewonnen habe. ,Oh, das war ganz einfach’, antwortete er. ,Ich bin seit 35 Jahren mit den Sammlern befreundet.’ Genau das ist die Kunst von Christie’s: Jeden zu kennen, und das schon ganz lange.“

Solche Interviews machen Spaß.

Sendetermine bei N-tv:
Montag, 15. August, 18:30 Uhr
Dienstag, 18. August, 15:15 Uhr

Produktion: TV 21
Redaktion / Produktion: Sabine Christiansen, Markus Föderl, Chris Jumpelt, Kirsten Hoffmann
Buch und Regie: Sven Ihden
Schnitt: Valesca Peters
Länge: 22 Minuten (netto)

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