Piraten und Geistiges Eigentum



Nach meinem Hinweis auf die schwachbrüstige Begründung des Antrags zum Leistungsschutzrecht beim LiquidFeedback-System der Piratenpartei haben zahlreiche Parteimitglieder und -anhänger darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Beschluss bisher keine Aufnahme ins offizielle Programm gefunden habe. LiquidFeedback werde nur von einem geringen Prozentsatz der Mitglieder genutzt, hieß es, der Beschluss sei alt und ohnehin nicht bindend. Es gebe bisher keine offizielle Festlegung der Piraten gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Umso besser. Ich nehme das gern zur Kenntnis, auch wenn @Boomel kürzlich noch getwittert hatte:

Liebe Verlage/Medien/Presseagenturen, hier unser Statement! Bitte lasst ab vom #leistungsschutzrechthttp://bit.ly/asnWn1 #piraten+

Hinter dem Link steht nichts anders als die LiquidFeeback-Abstimmung. Aber geschenkt.

Bei den Piraten machen nach meinem Eindruck viele engagierte Leute mit, was ich erst einmal gut finde, auch wenn ich nicht verstehe, wie man eine Partei nach Gewaltverbrechern benennen kann, die am Horn von Afrika Geiseln nehmen und sich etwa im Fall der Maersk-Entführung lieber von Navy-Seals erschießen lassen, als die Gefangenen auf freien Fuß zu setzen. Aber vielleicht dachten die Polit-Piraten ja an Captain Sharky und fanden den Namen irgendwie knuffig.

In jedem Fall habe ich das offizielle Piraten-Programm zum geistigen Eigentum jetzt genau gelesen. Richtig, es steht dort nichts zum Leistungsschutzrecht. Dafür stellen sich viele andere Fragen. Die Positionen zum geistigen Eigentum sind zutiefst widersprüchlich. Falls ich etwas falsch verstanden habe, freue ich mich über Hinweise. Einstweilen aber scheint mir unbestreitbar, dass die Piraten den Interessen der Urheber massiv schaden wollen.

Ein zentraler Satz im Programm lautet:

Wir erkennen die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an.

Gemeint ist wohl das Urheberpersönlichkeitsrecht. Die Aussage als solche ist erfreulich. Worin aber besteht die Anerkennung? Aus § 11 UrhG ergibt sich, dass dem Urheber die alleinige Bestimmung obliegt, ob, wann und wie sein Werk veröffentlicht wird. Er genießt Beseitigungsansprüche, Unterlassungsansprüche und vor allem Schadensersatzansprüche, wenn ohne seine Genehmigung in sein Recht eingegriffen wird. Wenn die Piraten schreiben, dass sie Urheberpersönlichkeitsrechte anerkennen, sagen sie damit, dass sie auch die daraus folgenden Rechte akzeptieren. Anders lässt sich der zitierte Satz im Programm nicht interpretieren. Schließlich benutzt er ausdrücklich den terminus technicus „Persönlichkeitsrechte der Urheber“.

Genau diese Anerkennung verweigern die Piraten dem Urheber jedoch. Sie schreiben:

Systeme, welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be- oder verhindern (Kopierschutz, DRM, usw.), verknappen künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab.

Damit ist nichts anderes gesagt, als dass Urheber bitte keine technischen Mittel ergreifen mögen, die ihr Urheberpersönlichkeitsrecht schützen helfen. Stattdessen werden sie aufgefordert, ihr geistiges Eigentum der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung zu stellen, um vermeintlich künstlicher Verknappung zu begegnen. Auf gut Deutsch: Das Privateigentum ist bitte zu kollektivieren – ein zutiefst urheberfeindlicher Gedanken.

Gefordert wird freies Kopieren und freie Nutzung geistiger Werke:

Da sich die Kopierbarkeit von digital vorliegenden Werken technisch nicht sinnvoll einschränken lässt und die flächendeckende Durchsetzbarkeit von Verboten im privaten Lebensbereich als gescheitert betrachtet werden muss, sollten die Chancen der allgemeinen Verfügbarkeit von Werken erkannt und genutzt werden.

Dieses Argument heißt im Klartext: „Da immer wieder Schlösser aufgebrochen werden, fordern wir die Abschaffung aller Schlösser und das Aufsperren aller Türen.“ Eine urheberfreundliche Position würde das Gegenteil verlangen: die entschlossene Bekämpfung von Einbrüchen.

Weiter heißt es:

Daher fordern wir, das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern, denn dies stellt eine essentielle Grundvoraussetzung für die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft dar.

Dies bedeutet nichts anderes als die Abschaffung der Ansprüche der Urheber auf eine angemessene Vergütung nach § 42b Abs2 UrhG, die so genannte Reprographievergütung. Der Gesetzestext lautet:

Ist von einem Werk seiner Art nach zu erwarten, daß es mit Hilfe reprographischer oder ähnlicher Verfahren zum eigenen Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Reprographievergütung),
1. wenn ein Gerät, das seiner Art nach zur Vornahme solcher Vervielfältigungen bestimmt ist (Vervielfältigungsgerät), im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt (Gerätevergütung) und
2. wenn ein Vervielfältigungsgerät in Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung, Forschungseinrichtungen, öffentlichen Bibliotheken oder in Einrichtungen betrieben wird, die Vervielfältigungsgeräte entgeltlich bereithalten (Betreibervergütung).

Für Urheber würde das einen herben Einnahmeverlust bedeuten, da die Reprographievergütung durch harte Verhandlungen eine erhebliche Größenordnung erreicht hat. Jeder Urheber merkt das an der Überweisung oder dem Scheck, den er einmal im Jahr von seiner Verwertungsgesellschaft bekommt.

Sehr deutlich fassen die Piraten ihre Haltung zum geistigen Eigentum so zusammen:

Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken jedoch das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem „geistigem Eigentum“ basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht.

Hier offenbart sich der zugrunde liegende Irrtum in seiner ganzen kalten Pracht. Das Gegenteil von dem ist wahr, was die Piraten schreiben. Gerade das geistige Eigentum fördert die Wissens- und Informationsgesellschaft. Schafft man es ab, können Schöpfer nicht mehr von ihrer Schöpfung leben und suchen sich andere Jobs. Das geistige Leben verarmt, und der Wissensgesellschaft geht der Rohstoff aus. Kulturelle Armut ist die Folge.

Die Piraten nehmen eine extrem urheberfeindliche Haltung ein. Sie sind ausgemachte Gegner der Urheber, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Könnten die Piraten ihr Programm durchsetzen, hätte dies eine dramatische Einbußen aller Urheber zur Folge. Sie könnten von ihrem Talent nicht mehr leben. Wer außer Piraten könnte dies wollen?



 

63 Kommentare

 
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    Was ich bei dieser Debatte nicht mehr hören kann, ist das Gerede von der angeblich nichtkommerziellen Privatkopie, die niemandem was wegnehme und darum auch niemandem schade.
    Wenn der Konsument sich dafür entscheidet, etwas zu kopieren statt es zu kaufen, schadet er dem Urheber des Werkes durch die entgangene Einnahme. Besagter Konsument verschafft sich ein paar schöne Stunden, und der kreative Kopf dahinter geht leer aus.
    Und ja, die meisten Formen der Kreativität erfordern Professionialität. Und Professionialität erfordert Bezahlung.

    Ebenso unerträglich ist die Forderung, eine Sache zu legalisieren, einzig weil ein Teil der Bevölkerung sie nicht als kriminell empfindet.
    Steuerhinterziehung kann man nach der Logik dann auch gleich gesetzlich zulassen (dass bei Steuerhinterziehern mit zweierlei Mass gemessen wird, Zumwinkel etc steht auf einem anderen Blatt).

    Hinzu kommt diese Chuzpe, mit der die Verhältnisse umgedreht werden:
    Der Urheber will was für sein Werk? Das ist eine Verknappung des Wissens, eine Verknappung öffentlichen Eigentums, gemeinhin Diebstahl. Da fehlen einem die Worte. Kein Wort darüber, dass irgend eine Leistung, manchmal jahrelange Arbeit und ein hohes finanzielles Risiko dahintersteckt. Und dafür wollen diese Kreativen auch noch Geld? Nein wie frech…

    Und dann, besonders ärgerlich, wie die Gegner des Urheberrechts versuchen, einer kriminellen Sache einen linken Anstrich zu geben (geht ja gegen die Industrie und so, aber wir kämpfen ja eigentlich für die Sache der armen, ausgenutzten Urheber). Dass diese Industrie nicht nur aus Funktionären besteht, sondern auch Produzenten, Technikern, Tonmeistern, Kameramännern, Lektoren usw usf sei nur am Rande gesagt.

    Seien wir also mal ehrlich und legen die Hand aufs Herz, liebe Piraten, aber am Anfang der Debatte stand nur dieser Gedanke:
    Ich-will-umsonst-downloaden-und-konsumieren-und-nach-mir-die-Sintflut.

     
     
  40. erik spiekermann

    Ich habe den Eindruck, dass hier – wie so oft – vor allem die Leute über kreative Leistungen diskutieren, die selbst noch nie einen Beitrag geleistet haben, den anderen Leute gerne nutzen würden.

    Ich entwerfe u.a. Schriften, die als digitale Fonts ohne jeden Aufwand zu kopieren und zu vertreiben sind. Ich nehme an, dass von den Anwendern, die mit meinen Fonts arbeiten, höchstens 10% eine Lizenz dafür erworben haben. Ich investiere für eine Schriftfamilie mit 4 Schnitten (durch eigene Arbeitszeit und durch Subunternehmer, die ich vorab bezahle) ungefähr 400 Arbeitsstunden. Eine solche Familie wird für ca. 100€ verkauft, davon erhält der Entwerfer 20 bis 30%, das hängt von der Vertriebsform ab. Wie lange wird es wohl dauern, bis ich meinen Einsatz zurück habe? Es gibt ein riesiges Angebot, unter dem meines nur auffällt, wenn der Vertrieb viel in Werbung investiert, wenn ich den Zeitgeist zufällig richtig getroffen habe, wenn mein Name bekannt ist. Genauso wie bei einem Buchautor also, der ja auch viel Zeit investiert mit ungewissem Ausgang.

    Wovon soll ich leben, wenn meine geistige Leistung, die sich in leicht kopierbaren Daten manifestiert, zum allgemeinen Kulturgut gerechnet wird und damit von jedem Nutzer für jeden Zweck verwendet werden kann? Ich habe nichts dagegen, wenn ein Kollege den Briefbogen seines Kegelclubs damit setzt. Aber warum sollte eine Werbeagentur meine Leistung zur Grundlage ihrer Leistung machen können, die sie dann verkauft? DRM war bei Schriften nie eine Frage und darüber bin ich sehr froh. Wenn aber alle geistigen Leistungen in ihrer digitalen Manifestation überall kostenlos verfügbar sein sollen, dann hätte ich kein Einkommen. So etwas können nur Leute verlangen, die irgendwo ein festes Einkommen beziehen und nicht von ihren geistigen Leistungen auf dem freien Markt leben müssen.

     
     
  41. Pauledo

    Aber wie soll zum Beispiel ein Schauspieler auf eine stabile Gage hoffen, wenn der Produzent damit rechnen muss anstatt feste Preise Spenden für seinen Film zu erhalten? Siehe: http://www.tvspielfilm.de/news-und-specials/interviewsundstories/zwischen-gagenhimmel-und-hartz-iv-schauspieler-gagen-wer-verdient-wieviel,4617489,ApplicationArticle.html

    Die Gagen werden für alle Medienschaffenden gedrückt und natürlich hat ein Schauspieler sein Wissen vielleicht auf einer staatlich finanzierten Schule erlangt und die Sprache die er spricht ist sowieso Allgemeingut aber davon kann er seine Miete trotzdem nicht zahlen. Die kosten für seine Wohnung lassen sich nicht wegdiskutieren.
    Warum sollte ein Produzent also noch richtige Fiktion produzieren, die ja heute alle sehen wollen, wenn er mit scripted reality für weniger Aufwand die gleiche Zahl an Sendeminuten produzieren kann und weniger finanzielle Risiken eingeht?

    Ein Film kostet in Deutschland, günstig produziert, mindestens 750.000 – 1.000.000 Euro. Das lässt sich nicht durch minimale paypal Spenden finanzieren.
    Angenommen der Film soll trotzdem gemacht werden: wie kommen die beteiligten auf ihre Kosten?
    Was finanziert die Schauspieler/Kameramann/Cutter-Gage?

     
     
  42. Ike

    Den (misslungenen) Seitenhieb zum Namen der Piratenpartei kommentiere ich hier nicht, ich nehme vielmehr Bezug auf das sogenannte “geistige Eigentum” und wie es gelebt wird.

    Wenn man sich die Geschichte ansieht, stellt man schnell fest, dass sich die Welt ständig im Wandel befindet. So dachte man, dass das Kino das Ende des Theaters einläuten würde. Lustigerweise wurde später das selbe befürchtet, als das Fernsehen populär wurde. Die Musikkassette war der Feind der Musikbranche – und als die ersten legalen Online-Musik-Dienste kamen, waren sie mit starkem DRM versehen, weil man befürchtete, dass alles andere der Tod der Musikbranche darstellen würde.

    Wie sieht es heute aus? DRM im Musikbereich ist tot, da man eingesehen hat, dass man mehr Probleme als Vorteile damit hatte – dennoch wird Musik fleißig online eingekauft.

    Musik liegt in Massen z.B. auf Youtube herum. Die einzigen, die sich daran stören, ist die GEMA. Selbst die Medienbranche hat mittlerweile eingesehen, dass Youtube eine hervorragende Werbeplattform darstellt.

    Mehrere Studien (die zurückgehalten wurden) haben ergeben, dass Menschen, die Medien untereinander tauschen häufiger Musik kaufen, häufiger ins Kino gehen, … Es ist also genau das Gegenteil dessen, was immer heraufbeschworen wird.

    Die Musikbranche hat gelernt. Konzerte, Festivals und Merchandising stellen eine stabile Einnahmequelle dar.

    Es hat sich also gezeigt, dass hier Phantome gejagt wurden und die am Horizont heraufbeschworenen Milliardenverluste ein reines Angstgespenst einer Branche war, die unfähig scheint, sich auf neue Begebenheiten einzustellen.

    Gesetze müssen sich den Begebenheiten anpassen. Dementsprechend muss dringend der Bereich des sogenannten “geistigen Eigentums” überarbeitet werden – und die Überarbeitung kann nicht in Richtung einer schärferen Verfolgung oder verlängerter Fristen gehen – im Gegenteil.

    Hier muss ein sinniger Kompromiss gefunden werden.

    Und die Medienbranche muss endlich begreifen, dass sie nicht von lauter Feinden umgeben ist, die nur danach geifern, ihr zu schaden.

     
     
  43. Ein gelangweilter Leser

    Die Copyshop-Gebühr im Auftrag der Urheber erhoben und an diese angeschüttet. Das Geld landet bei den Einzelpersonen und wird nur gemeinsam erhoben.
    Das kann man von den Steuern auch sagen, die von einem größeren Kollektiv erhoben und in deren Auftrag ausgegeben werden. Das sind kaum Umstände, die in näherem Zusammenhang mit Eigentum oder Marktwirtschaft stehen.

    Außerdem ist das Urheberrecht in diesem Rahmen vollkommen belanglos, weil man einfach ein Gesetz verfassen könnte, nach dem alle Urheber dem Urheberkollektiv beitreten können und gewisse Gewerbetreibende für die finanzielle Versorgung des Kollektivs zu sorgen haben, indem sie Gebühren für bestimmte Abgabetatbestände zu zahlen haben.
    Bereits die Verwendung des Wortes Gebühr zeigt, dass Sie kaum marktwirtschaftlich oder eigentumsrechtlich denken, denn dann würden Sie von einem Preis sprechen der sich üblicherweise nach Angebot und Nachfrage nach einem bestimmten Produkt richtet. Das betroffene Produkt ist hier übrigens die Kopiermaschine (und das Kopierpapier und der CD-Rohling und und und), für die jeweils eine Sonderabgabe zugunsten eines Kollektivs gezahlt werden muss.

     
     
  44. Christoph Keese

    Die Copyshop-Gebühr wird im Auftrag der Urheber erhoben und an diese angeschüttet. Das Geld landet bei den Einzelpersonen und wird nur gemeinsam erhoben.

     
     
    • piratenproll

      Um welche “Eigentumsrechte” handelt es sich denn, wenn ich für meine Firma einen DVD-Brenner und Rohlinge zur Herstellung von Daten-Backups kaufe, und dafür eine Gebühr an die Gema bezahlen muss?

       
       
      • Christoph Keese

        Eigentumsrechte der Urheber. Die Abgabe wird als Pauschale für potentielle Kopien urheberrechtlich geschützter Werke erhoben. Die pauschale Vergütung ist weitaus praktikabler als eine Einzelerfassung. Deshalb hat sie sich durchgesetzt.

         
         
  45. Ein gelangweilter Leser

    Ich habe nicht den Eindruck, dass die Verwertungsgesellschaften Eigentumsrechte wahrnehmen. Sie fordern beispielsweise Geld, wenn man einen Copyshop öffnet, für jede einzelnen Kopiermaschine. Wird diese gewerbliche Einrichtung in der Nähe einer Universität errichtet, erhöht sich der geforderte Betrag. Dies geschieht vollständig unabhängig jedweden Eigentumsrechten, die ja individualisierte Rechte einzelner Personen sind.
    Wir können insofern auch von einem Solidaritätszuschlag sprechen, wobei Abgabentatbestand nicht das Einkommen, sondern z. B. eine Kopiermaschine ist.

    Die Wahrnehmung von Eigentumsrechten, wie Sie diesen Vorgang beschreiben, können wir ohne besondere Probleme in die schönste Planwirtschaft transferieren. Auf der Seite der Urheber findet praktisch die von Ihnen geschmähte Zwangskollektivierung statt und auf der Seite der Gewerbetreibenden gibt es keine marktwirtschaftlich freie Wahlmöglichkeit (sondern eine Zwangsabgabe zugunsten des staatlich abgesicherten Kollektivs).

    —-
    Was die Piratenpartei unter den Urheberpersönlichkeitsrechten versteht, kann ich Ihnen leider nicht mitteilen. Sie haben sich, soviel kann ich Ihnen versichern, ausführlicher mit deren Ideen und Vorstellungen beschäftigt als ich. In Deutschland betrifft das Persönlichkeitsrecht (im geltenden Urheberrecht) jedenfalls nicht die Rechte, die Verwertungsgesellschaften, Verleger etc. geltend machen können.

     
     
  46. Christoph Keese

    Sehr geehrter Herr Zastrau,

    danke für Ihren Einwurf. Nehmen wir für einen Moment an, dass sich die Verwertungsgesellschaften tatsächlich zu unkontrollierbaren Bürokratiemonstern entwickelt hätten, die ihre Mitglieder knechten. Ich glaube das zwar nicht, aber gehen wir kurz davon aus. Folgt aus dieser Tatsache dann denklogisch, dass Urheber auf ihre gesetzlichen Ansprüche verzichten sollten und von der Piratenpartei gut vertreten sind? Doch wohl nicht. Die logische Schlussfolgerung wäre doch, die Vertretung der Rechte besser zu organisieren, ohne die Rechte als solche aufzugeben und sich damit selbst zu enteignen. Den Urhebern stehen alle erdenklichen Mittel zu, die Verwertung ihrer Rechte besser zu organisieren. In den Verwertungsgesellschaften haben sie das Sagen. Nicht die Eigentümer und Träger einer Verwertungsgesellschaft bestimmen, sondern die Organe und Gremien der Wahrnehmungsberechtigten. Wenn Gremien die Rechte der Vertretenen nicht gut repräsentieren, können und müssen sie abgewählt werden. Jeder Urheber hat in seiner Verwertungsgesellschaft viel mehr zu sagen als ein Bürger in der Politik oder ein einfaches Mitglied in seinem Fußballverein. Das Gesetz teilt ihm dieses Recht unwiderruflich zu. Man muss es nur nutzen. Auch die Verteilung des eingenommen Geldes obliegt letztlich den Vertretenen. Bei der GEMA sind über 700 Millionen Euro zu verteilen, bei der Verwertungsgesellschaft der Leistungsschutzberechtigten – also der VG der Interpreten – weit über 100 Millionen. Die Verwaltungskosten der Verwertungsgesellschaften liegen im Korridor von 5 bis 15 Prozent. Somit werden 85 bis 95 Prozent an die Urheber und Leistungsschutzberechtigten ausgeschüttet. Von Brosamen kann man da wirklich nicht sprechen. Falls die VGs zu bürokratisch arbeiten – wofür es nicht bei allen, aber bei manchen klare Indizien gibt -, dann sollten Urheber das System von innen verändern, indem sie ihre Rechte aktiv wahrnehmen. Aber das allein kann doch kein Grund sein, auf die gesetzlichen Schutzrechte zu verzichten und allein im Bereich der Musik auf über 850 Millionen Euro pro Jahr zu verzichten. Selbst wenn eine Reform nicht gelingen würde, weil die Systeme zu erstarrt sind, wären es immerhin “Sklavenhalter” – um Ihre Formulierung zu benutzen – die jährlich rund eine Milliarde Euro an ihre “Sklaven” ausschütten (wenn man alle Verwertungsgesellschaften zusammen rechnet). Echtes Leid sieht anders aus.
    Ja, eine Debatte über das Urheberrecht mag nötig sein. Aber doch nicht im Sinne einer Selbstentleibung von Urhebern nach dem Vorschlag der Piraten. Etwas besseres als den Tod gibt es immer.

    Mit besten Grüßen
    Christoph Keese

     
     
    • Sehr geehrter Herr Keese,
      was Verwertungsgesellschaften mit Eigentum oder Marktwirtschaft zu tun haben sollen, müssten Sie vielleicht etwas näher erklären. Leider verwechseln Sie auch die Persönlichkeitsrechte, wenn man einmal das hiesige unter Juristen übliche Verständnis zugrundelegt, mit den Verwertungsrechten.

       
       
      • Christoph Keese

        Ich bin nicht sicher, ob Sie die Frage ernst meinen. Verwertungsgesellschaften nehmen Eigentumsrechte wahr. Insofern liegt der Zusammenhang auf der Hand.
        Was ist im Piraten-Programm denn nun gemeint? Persönlichkeitsrechte der Autoren, oder deren Urheberpersönlichkeitsrechte? Ich möchte das Programm verstehen. Lassen Sie mich bitte wissen, wenn nicht die Urheberpersönlichkeitsrechte gemeint sind.

         
         
        • piratenproll

          Es sind in der Tat die Urheberpersönlichkeitsrechte gemeint, die Sie aber nicht akkurat beschreiben. (Und die auch nicht aus § 11 UrhG folgen, sondern in den §§ 12–14 UrhG festgelegt sind.)

          U.a. handelt das Urheberpersönlichkeitsrecht davon, dass niemand ein Werk für sein eigenes ausgeben darf, es “verhunzen” darf, und ja, es handelt auch davon, dass der Urheber über die Veröffentlichung bestimmen darf. Kopieren hat aber nichts mit veröffentlichen zu tun, sondern gehört zu den Verwertungsrechten (§§ 15 ff. UrhG).

          Was die Verwertungsrechte angeht, befindet sich die Piratenpartei intern im Meinungsfindungsprozess, aber diejenigen, die diese Verwertungsrechte komplett abschaffen wollen, sind meinem Eindruck nach eine verschwindend geringe Minderheit. Den meisten geht es vielmehr u.a. um folgende Punkte (kein Anspruch auf Vollständigkeit):

          * Entkriminalisierung unkommerzieller Kopien, die niemandem reellen Schaden zufügen.

          * Sicherstellung des Rechts auf Privatkopie, aber auch von Sicherheitskopien etc. für den eigenen Bedarf.

          * Drastische Verkürzung der Schutzfristen.

          * Regelungen zur legalen Nutzung verwaister Werke, die vom Urheber gar nicht mehr kommerziell genutzt werden.

           
           
          • Christoph Keese

            Interessant, danke. Die Abschaffung der Verwertungsrechte stehen aber derzeit im Programm.

               
             
             
          • piratenproll

            Nein, die Abschaffung der Verwertungsrechte steht auch nicht im Programm. Nur eine gewisse Einschränkung für den privaten Sektor. Wussten Sie eigentlich, dass die Künstler von den Abmahngebühren und “Schadensersatz-”Beträgen keinen Cent erhalten, sondern dass die Verwerter und ihre Anwälte sich das zu 100% selber in die Tasche stecken?

               
             
             
    • piratenproll

      Was die Verwertungsgesellschaften angeht, *können* die gar nicht “von innen reformiert” werden, da die meisten Urheber gar kein Stimmrecht haben, sondern nur “ordentliche Mitglieder”, welches nur werden kann, wer bereits hohe Summen über die Gema erhalten hat. (Quelle: Satzung der Gema)

      Also: Diejenigen, die vom bisherigen System profitieren, sind die einzigen, die stimmberechtigt sind, und sorgen dafür, dass sie noch mehr profitieren.

      Ich kenne einige Musiker, die Mitglied der Gema sind, aber niemand bezieht von denen irgendwelche Beträge in einer Größenordnung, dass er nicht sofort auch darauf verzichten könnte. Im Gegenteil. Diese Künstler spielen auf ihren eigenen Konzerten ihre eigenen Lieder, und dafür muss der Veranstalter dann hohe Gema-Gebühren bezahlen, von denen nur Cent-Beträge bei den eigentlichen Künstlern ankommen, weil Dieter Bohlen u.a. den Rest erhalten.

      Hier äußert sich z.B. mal jemand aus der Branche (kein Pirat) dazu:Sklaven der Gema

      Oder mal ein Beispiel aus meinem persönlichen Umfeld: Wir hatten jemanden bei unserem lokalen Fußballverein, der die Spiele filmt und Zusammenschnitte bei YouTube veröffentlicht. Jetzt hat die Gema bei YouTube eine Sperre gegen so einen Film erwirkt, weil am Anfang beim Einlauf der Mannschaften im Hintergrund ca. 10 Sek. lang die Stadionanlage irgendwelche Musik plärrt, für die die Gema sich vertretungsberechtigt fühlt. Der Filmer hat jetzt jedenfalls keine Lust mehr zu filmen, weil er Angst hat irgendwann noch dafür verklagt zu werden. Super, Gema!

      Kann man sofort auflösen, den Verein, ohne dass es irgendwelche Auswirkungen auf die Vielfalt unserer Kultur haben würde.

       
       
  47. Teckpirat

    Sehr geehrter Herr Keese,

    zunächst einmal möchte ich meinen Kommentar mit einem kleinen Rat beginnen: Wer Interesse an einer ernsthaften Diskussion hat, sollte nicht mit dem Versuch anfangen, sein Gegenüber lächerlich zu machen. Der Witz mit dem Parteinamen zeugt entweder von eklatanter Unkenntnis was den tatsächlichen Hintergrund desselben angeht oder von vorsätzlicher Böswilligkeit – beides wirft schon im Vorfeld die Frage auf, wie ernst man ihren Artikel nehmen kann. Glücklicherweise ist dies ihr einziger Ausflug auf das Bildzeitungsniveau und auch wenn ich ihre Meinung als Pirat naturgemäß nicht teile, formulieren sie sie doch so, dass man darüber Diskutieren kann und muss.

    Sie unterliegen offenbar den selben Irrtümern wie die Rechteverwerter, vor allem aber dem Irrglauben den technischen Fortschritt zugunsten eines Geschäftsmodells, das seine Ursprünge im vorletzten Jahrhundert hat, aufhalten zu können. Dieses Modell basiert auf der Grundannahme, dass man die Ware nur gegen Bezahlung erlangen kann. Der unrechtmäßige Erwerb, z.B. durch Diebstahl eines Buches, spielte damals eine vernachlässigbare Rolle. Mit der Digitalisierung hat sich dies dramatisch geändert: die Waren über die wir sprechen, also Musik, Filme, Bücher oder auch nur rohes Wissen wurden auf einfachste Weise vervielfältigbar und für jedermann verfügbar. Das Pferd auf dem die Rechteverwerter saßen war damit faktisch Tot, doch statt abzusteigen und sich Gedanken darüber zu machen wie man nun in Zukunft von A nach B kommt lautet bisher ihre einzige Antwort auf diese Frage, dass der Staat dann doch bitte dafür sorgen soll, dass das tote Pferd von A nach B getragen wird damit man weiter im Sattel desselben sitzen bleiben kann. Genau an dieser Stelle weicht die Meinung der Piraten ab, wir bejahen ausdrücklich den Anspruch der kreativ tätigen auf eine angemessene Entlohnung für ihre Arbeit, sehen jedoch keinen Sinn darin ein totes Pferd durch die Gegend zu tragen. Wir lehnen das alte Geschäftsmodell der Kreativwirtschaft ab, möchten aber ein neues Modell etablieren, das einen Geldfluss vom Konsumenten hin zu den Kreativen sicherstellt. Teilweise beginnen die Verwerter bereits mit einem Umdenkungsprozess, so verdient die Musikindustrie in den USA bereits kräftig an Youtube mit während sich die GEMA hierzulande offenbar nicht mit Google einigen kann und den Künstlern so Millioneneinkünfte verlohren gehen.

    Zu ihrem Schreckgespenst der Kreativlosigkeit aufgrund mangelnder Vergütung: Vor Einführung des Copyrights in Deutschland zeichnete sich unser Land geradezu durch die Schaffung kreativer Werke aus. In England jedenfalls, wo es bereits ein Copyright gab, wurden signifikant weniger Bücher geschrieben. Nun kann man zwar die damaligen Verhältsnisse nicht einfach 1:1 nach heute übertragen, doch zeigt dies, dass die Gleichungen viel Urheberrechtsschutz=viel Geld=viel Kreativität und kein Urheberrechtsschutz=kein Geld=keine oder wenig Kreativität ebenfalls viel zu einfach ist.

    Auf die Contentindustrie kommen sicherlich schwere Zeiten zu und anstehende weitere technische Neuerungen wie die zunehmende Verbreitung von Leistungsfähigen mobielen Rechnern (Stichwort Smartphones) wird es ihr sogar unmöglich machen Filesharing weiterhin zumindest annähern effektiv zu bekämpfen. Sie führt derzeit einen hoffnungslosen Kampf gegen Windmühlen und wird, wenn sie zu spät kommt, vom Leben und nicht von den Piraten bestraft werden. Wir sind nicht die Feinde der Rechteinhaber sondern der technische und gesellschaftliche Wandel ist es. Wir sind diejenigen, die solche Entwicklungen aufgrund unseres verglichen mit anderen Parteien erheblich besseren Hintergrundwissens voraussehen und sich Gedanken darüber machen, wie man beide Interessen unter einen Hut bringen kann. Auch wir können kein neues Pferd aus dem Hut zaubern auf dem die Contentindustrie weiter reiten kann als ob nichts geschehen wäre und dies ist auch nicht unsere Aufgabe. Aber der Hinweis, dass das aktuelle Pferd auf dem sie sitzt tot und damit nicht länger tragfähig ist, muss erlaubt sein und ist letztlich sogar im Interesse der Kreativen.

     
     
    • Christoph Keese

      Sehr geehrter Teckpirat,

      danke für den Rat. Namenswitze sind in der Tat unfein, aber ich wollte auch keinen Witz machen, sondern nur darauf hinweisen, dass “Piraten” bei mir und vermutlich vielen anderen durch die Ereignisse in Afrika negativ konnotiert sind. Captain Sharky war etwas flapsig, das gebe ich zu, der Hinweis auf die Konnotation aber ernst gemeint. Einer kundigen Debatte steht das aber nicht im Wege. Ihren sachlichen Kommentar habe ich mir genau durchgelesen und möchte gern antworten. Zu Ihren Argumenten:
      Ware gegen Bezahlung abzugeben, ist als Geschäftsmodell noch älter als das 19. Jahrhundert. Es ist vermutlich so alt wie die Menschheit, mindestens so alt wie die Zivilisation. Auch Diebstahl gab es schon immer. Verkauf und Diebstahl standen immer in einem Spannungsverhältnis, allerdings hat auch massiver Diebstahl auf Dauer nie dazu geführt, dass auf Verkauf verzichtet wurde. Wenn nun Digitalisierung und Internet den Diebstahl extrem erleichtern, ist das für sich genommen noch kein Grund, auf die Kulturtechnik des Verkaufens zu verzichten. Dies ist vermutlich auch Ihre Meinung, denn Sie schreiben ja den Anspruch der kreativ Tätigen auf eine “angemessene Entlohnung für ihre Arbeit”. Darin sind wir uns vermutlich einig. Ihre Kritik knüpft sich somit, wenn ich sie richtig verstanden habe, nicht an Verkauf und Entlohnung als solche, sondern an Art und Umstand, mit denen diese stattfinden. Hier meine ich mit Ihnen, dass es dringend geboten ist, neue Wege und Mechanismen zu entwickeln, mit denen der Verkauf geistigen Eigentums im Internet stattfindet. Es ist unstrittig, dass wir von einer idealen Lösung noch weit entfernt sind. Dennoch ist diese Kritik etwas ganz anderes als die Kritik an der Entlohnung als solcher. Ich erkenne an, dass sich das Programm der Piratenpartei für die Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte ausspricht. Allerdings sollte die Partei zur Kenntnis nehmen, dass ihre konkreten Forderungen in die Gegenrichtung wirken. Deswegen halte ich das Programm in diesem Punkt für höchst widersprüchlich. Sie fordern zwar den Schutz der Rechte von Urhebern, schlagen aber im selben Atemzug vor, die konkrete Ausprägung dieser Rechte abzuschaffen. Das passt nicht zusammen. Daher würde ich es für ein verdienstvolles Projekt der Piratenpartei halten, wenn sie versuchen würde, einen gesetzgeberischen Vorschlag auszuarbeiten, der einerseits die Autorenrechte wahrt und andererseits den Prinzipien der Verwertung entspricht, die Sie für sinnvoll halten. Ein solcher Vorschlag würde die Debatte wirklich bereichern.

      Noch kurz zum Zusammenhang zwischen Geld und Kreativität. Sie haben völlig Recht mit dem Hinweis, dass Open Source, Wikis und CC-basierte Plattformen enorme kreative Leistungen hervor gebracht haben. Das erkenne ich an und bewundere es. Mir geht es nicht darum, diese Leistungen abzustreiten, sondern ich möchte lediglich darauf verweisen, dass es aus überaus sinnvoll sein kann, wenn Menschen von ihren kreativen Leistungen auch leben können. Stellen Sie sich vor, jeder Wiki-Beitrag oder jedes CC-Foto würde seinem Urheber etwas Geld zufließen lassen. Seine Freiheit und seine Unabhängigkeit wären dadurch in keiner Weise geschmälert, auch die Weiterverwendung seiner Werke könnte geschehen wie bisher. Der einzige Unterschied wäre, dass er Geld bekommt. Das würde ihm die Option eröffnen, sich stückweise von seinem Brotberuf zu emanzipieren und Geld mit seiner Schöpfung zu verdienen. In gleicher Weise würde den heute schon hauptberuflich Kreativen geholfen werden, Einkünfte zu sichern. Dies wäre dann nicht der Schutz alter Geschäftsmodelle, sondern der Aufbau eines ganz neuen Modells. Kurzum: Genauso, wie der Satz “Nur Geld ermöglicht Kreativität” falsch ist, trifft auch der Satz “Nur kostenloses Arbeiten ist kreativ” nicht zu.

      Wünschenswert wäre also, wenn die Piraten ihr Programm ausdifferenzieren könnten: Punkte streichen, die im Widerspruch zum Schutz des Urhebers stehen. Punkte ergänzen, die ein neues Ökosystem für kreative Leistungen in die Rechtsordnung einflechten.

      Beste Grüße
      Christoph Keese

       
       
      • Herr Keese,

        Sie erliegen leider einer falschen Analogie, wenn Sie Kopieren mit Stehlen gleichsetzen.

        Die Sanktion von Diebstahl schützt die Eigentumsstellung an einem endlichen Gut, dh. was ich jmd. stehle, wird diesem spiegelbildlich die gestohlene Sache fehlen.

        Wenn ich etwas kopiere, haben wir danach beide die Sache. Was dem anderen fehlen könnte, ist ein Verkaufserlös – wobei das nach wie vor sehr umstritten ist.

        Völlig unabhängig davon aber verstellt die Gleichsetzung von Kopie mit Diebstahl den Blick auf die Grundfrage: Ist es ethisch vertretbar, ein potentiell unendlich verfügbares (weil verlustfrei und kostenfrei kopierbares) Gut zum Zwecke der Gewinnerzielung zu verknappen?

        Wenn wir materielle Güter unendlich und nahezu kostenfrei vervielfältigen könnten – sagen wir einen Teller Suppe – was würde unsere Ethik dazu sagen, wenn wir diese Vervielfältigung unter- und Menschen dem Hunger überließen, bloß weil Maggi und Knorr ansonsten Probleme mit ihrer Suppenproduktion bekämen?

        In grauer Vorzeit, vor Erfindung des heute so banalen Feuerzeuges gab es ein Rechtsgrundsatz, dessen Wortlaut mir leider nicht mehr einfällt. Inhaltlich bestimmte er, dass jeder das Recht habe, sich am Feuer eines Anderen eine Flamme zu entzünden. Ebenfalls eine Vervielfältigung.

        Natürlich – und das streiten auch Piraten nicht ab – kann der Schaffensprozess von Kunst und Wissen kostspielig sein. Und natürlich brauchen wir Mittel und Wege, um seine Finanzierung zu sichern.

        Aber die Finanzierung muss nicht an die Verknappung der kulturellen und geistigen Schöpfung gekoppelt sein. Und mit Blick auf das ethische Problem ist es meine persönliche Überzeugung, dass dies auch nicht sein darf. Weil es unethisch ist.

         
         
        • transporta

          Weil es noch keiner getan hat, möchte ich auf das vordergründig überzeugende Beispiel mit der Suppe eingehen. Im Falle von Musik- oder Videodaten wird ja nicht immer wieder ein- und dasselbe Produkt vervielfältigt, weil es bei Kulturprodukten ja genau darum geht, ständig neue Kreationen genießen zu können. Ginge es bei der Ernährung der Weltbevölkerung, darum jeden Tag eine neues Gericht zu präsentieren, müsste man den Küchenmeistern ebenfalls einen Anreiz bieten, diese immer neuen kulinarische Kreationen zu entwickeln. Künstliche Verknappung wäre in diesem (konstruierten) Fall trotzdem ein unmoralisches Mittel, weil es eben um die Ernährung der Weltbevölkerung geht und nicht um Unterhaltungsmedien. Und trotzdem gilt es festzuhalten, dass auch die Ernährung der Weltbevölkerung denkbar schlecht funktioniert, weil sie nur auf Spenden und Almosen aufbaut – genau wie alle Vorschläge der Filesharing-Befürworter.

           
           
      •  
  48. Eberhard Zastrau

    Sehr geehrter Herr Keese,

    leider ist die Praxis der Verwertungsgesellschaften längst zu einem »Ball Paradox« geworden. Nicht die Rechte der Urheber, die in dieser bürokratischen Monsterwelt mit ein paar Brosamen abgespeist werden, sondern die Eigeninteressen der Apparate, Verleger und Content-Vermarkter beherrschen die Szene. Die »Dienstleister« haben sich zu Sklavenhaltern der Kreativen aufgeschwungen. Diese Situation schreit nach einer Lösung, die endlich das Verwertungsrecht vom Kopf wieder auf die Füsse stellt.

    Deshalb ist die Debatte über ein Urheberrecht überfällig. Aber dafür ist es notwendig, wenn die vernünftigerweise zu Beteiligenden (also nicht die Vertreter bürokratischer Herrschaft!) zunächst einmal ihre Interessen darlegen und vor dem Hintergrund neuer technischer Gegebenheiten daran gehen, eine zeitgerechte Diskussion zu beginnen.

    Mit neugierigem Gruß

    Eberhard Zastrau

     
     
  49. Fabio Reinhardt

    Hallo Herr Keese,

    na Sie sind ja auch ein ganz fixer, dass Sie schon jetzt im Jahre 2011 mal einen Blick in das bei der Gründung im Jahre 2006 geschriebene Programm der Piratenpartei werfen. Finden Sie das nicht ein wenig übertrieben früh? So 2013 hätte doch sicher auch noch gereicht, oder?

    Mit freundlichen Grüßen,
    Fabio Reinhardt

     
     

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