Das kurze Gedächtnis der SPD in Sachen Leistungsschutzrecht



Für Verwunderung hat die Stellungnahme von Brigitte Zypries, Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion im Unterausschuss Neue Medien, und Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zum Leistungsschutzrecht gesorgt. Beide erklärten, dass sie ein solches Recht ablehnen. Brigitte Zypries sagte wörtlich, es sei „bis heute unklar, wofür es eines solchen Schutzrechtes eigentlich bedarf“. Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Positionen, die Frau Zypries bezogen hatte, als sie selbst noch Justizministerin war. Im Mai 2009 hatte sie in einer Grundsatzrede noch selbst ein Leistungsschutzrecht gefordert. Seinerzeit war ihr noch klar, warum das Recht unverzichtbar ist. Es lohnt sich, ihre Begründung von damals nachzulesen. Lesenswert auch Frank-Walter Steinmeiers Forderung nach einem Leistungsschutzrecht aus demselben Jahr:

Der Text der neuen Erklärung im Wortlaut

Aus Anlass der heutigen Sachstandsberichterstattung der Bundesregierung im Unterausschuss Neue Medien zum von der Koalition angekündigten Leistungsschutzrecht erklären die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion im Unterausschuss Neue Medien Brigitte Zypries und der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Klingbeil:

Es ist der Bundesregierung auch in der heutigen Sitzung des Unterausschusses Neue Medien nicht gelungen, die zahlreichen offenen Fragen zum vorgesehenen Leistungsschutzrecht zu beantworten und die erheblichen Bedenken auszuräumen. So ist bis heute unklar, wofür es eines solchen neuen Schutzrechts eigentlich bedarf und es ist auch nicht zu erkennen, welchen Beitrag dieses zur Lösung der unübersehbaren Probleme bei der Durchsetzung des Urheberrechts in der digitalen Welt leisten kann.

Befürchtet wird vielmehr zu Recht, dass ein solches Leistungsschutzrecht zu einer massiven Rechtsunsicherheit, zu erheblichen Einschränkungen der Kommunikation im Internet und zu einer neuen Abmahnwelle führen würde.

Wir teilen die an dem Entwurf im Netz vorgetragene Kritik: Es bedarf keiner neuen Schutzrechte, eine Stärkung der Verfahrensrechte wäre ausreichend und viel sachgerechter. Gleichzeitig wäre ein solches neues Leistungsschutzrecht von erheblichen „Nebenwirkungen“ begleitet, zum Beispiel auf die Informationsfreiheit oder auch auf die Grundprinzipien des Netzes. Diese Nebenfolgen sind in ihrer Reichweite noch nicht ansatzweise diskutiert und werden von der Bundesregierung und der Koalition schlichtweg ignoriert.

Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht im Mai 2009

Bei einer Konferenz zum Urheberrecht am 7. Mai 2009 hatte Brigitte Zypries in Ihrer Funktion als Bundesjustizministerin insbesondere mit Blick auf das Verhalten von Google ein Leistungsschutzrecht für Verlage gefordert. Das Börsenblatt des Buchhandels berichtete damals:

Das Beispiel Google (so Zypries) zeige, wie wichtig ein starkes Urheberrecht ist – gerade im Printbereich. Zypries mahnte: „Wir dürfen die Zeitungen und Bücher nicht vergessen.“ Eine Stärkung des Urheberrechts in diesem Bereich würde einem Medium zugute kommen, das für die poltische Meinungsbildung völlig unverzichtbar sei. Zypries hält es daher für notwendig, in der kommenden Legislaturperiode ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage zu diskutieren.

Heise Online berichtete damals folgendermaßen:

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat Google als eine der großen Gefahren für das Urheberrecht im Internetzeitalter ausgemacht. Bei der Eröffnung einer internationalen Konferenz zur Zukunft des Urheberrechts in Berlin warf sie dem Suchmaschinenprimus vor, im Rahmen seines umkämpften US-Angebots „Book Search“ Bücher ohne Einwilligung der Rechteinhaber „im großen Stil“ eingescannt und online gestellt zu haben. (…)

Das Beispiel zeigt für die Ministerin, „wie notwendig ein starkes Urheberrecht ist“. Gerade im Printbereich gebe es noch Nachholbedarf, da hier noch kein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage bestehe. Die Schließung dieser Lücke sollte in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft diskutiert werden. Generell seien „neue Antworten“ nötig, wie die Rechte an immateriellen Gütern im digitalen Zeitalter „wirksam“ zu schützen seien.

Telemedicus zitierte die Äußerungen von Ministerin Zypries zum Leistungsschutzrecht damals so:

„Die Buch- und Pres­se­ver­la­ge er­brin­gen eben­so wie die Her­stel­ler von Ton­trä­gern und Fil­men eine ganz er­heb­li­che ei­ge­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche und wirt­schaft­li­che Leis­tung. Ich kann mir des­halb gut vor­stel­len, dass auch die Ver­la­ge in Zu­kunft ein ei­ge­nes Leis­tungs­schutz­recht be­kom­men. [...] Des­halb soll­ten wir in der kom­men­den Le­gis­la­tur­pe­rio­de ein ei­ge­nes Leis­tungs­schutz­recht für Ver­la­ge ernst­haft dis­ku­tie­ren.“

Die Antwort auf Brigitte Zypries’ Frage, warum ein Leistungsschutzrecht nötig ist, steht also Schwarz auf Weiß in ihrer Rede vom 7. Mai 2009.

Auch Frank-Walter Steinmeier forderte Leistungsschutzrecht

Auch Frank-Walter Steinmeier hat 2009, damals als Kanzlerkandidat der SPD, ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger gefordert und begründet. Die Tagesszeitung schrieb damals:

Die SPD unterstützt die Forderungen der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage nach einem Leistungsschutzrecht beim Urheberrrecht. Ein eigenes Leistungsschutzrecht für die Verleger ist für das Internet notwendig, damit kostspielig erstellte Inhalte nicht beliebig kostenlos kommerziell verwertet werden können.

Steinmeier hat seine Forderung damals sogar eigenhändig zu Papier gebracht. In einem Beitrag für das Buch „Media-Governance und Medienregulierung“, herausgegeben von Marc Jan Eumann und Martin Stadelmaier, schrieb er seinerzeit wörtlich:

Genau das steht im Mittelpunkt verantwortlicher Medienpolitik in der Demokratie. Ihr besonderes Kennzeichen muss heute sein, dass es sich um eine Politik handelt, die nicht auf die Kräfte des Marktes allein setzt, sondern eine steuernde, stützende Hand der Gesellschaft, notfalls auch des Staates gewährt. Letzteres gilt vor allem dort, wo nicht nur eine vorübergehende Marktschwäche, sondern ein offensichtliches Marktversagen im Medienbereich festzustellen oder zu erwarten ist. (…)

Da diese Entwicklung immer auch eine Schwächung demokratischer Entwicklungen, Tugenden und Errungenschaften bedeutet, muss man über Instrumente nachdenken und sie gegebenenfalls auch einführen, die die Balance zwischen dem Kulturgut und dem Wirtschaftsgut wieder herstellen. Aktuell ist deshalb über die folgenden Instrumente und Möglichkeiten nachzudenken: (…)

Punkt 4: Erleichterungen im Pressefusionsrecht für die Zeitungen sowie die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage im Urheberrrecht, damit kostspielig erstellte Inhalte nicht beliebig kostenlos kommerziell verwertet werden können. (…)

Begründung und Forderung sind damit unmissverständlich geliefert. Carta hat den Beitrag damals dokumentiert. Er steht hier.

Fazit

Was die SPD damals richtig fand, kann heute nicht grundlegend falsch sein. Wenn die Sozialdemokraten harte Oppositionspolitik betreiben wollen und alles ablehnen, was von der Regierung kommt, ist das ihr gutes Recht. Trotzdem wäre es klug, wenn die Sozialdemokraten an die gute Tradition anknüpfen könnten, Änderungen des Urheberrechtsgesetzes mit großer Mehrheit im Parlament zu verabschieden. Funktionierende Presse und das Internet sind zu wichtig, als das man dieses Thema der parteipolitischen Ranküne überlassen sollte.



 

41 Kommentare

 
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  23. Lieber Herr Keese: Sie haben es (absichtlich?) immer noch nicht verstanden.

    Es geht nicht um EIN Leistungsschutzrecht, es geht um DIESES Leistungsschutzrecht, welches massiv, unfair und einseitig in die grundsätzlichen Fuktionen des Internets eingreift.

    Habe ich Ihnen alles bereits erklärt. Aber der Unterschied zwischen HEADER und BODY ist wohl zu kompliziert.

    mm.

     
     
  24. (Pingback)

    [...] Beleg führt Niggemeier Zitate an, die aus einer Diskussion mit Kommentatoren unter meinem Blogpost „Das kurze Gedächtnis der SPD in Sachen Leistungsschutzrecht“ stammen. Ich antworte darin Brigitte Zypries. Sie hatte 667 Zeichen geschrieben, ich habe ihr [...]

    Keine Lügen für das Leistungsschutzrecht | der presseschauder

    6. Juli 2012

     
  25.  
  26. Walter Erwin Salz

    der presseschauder

    Meinungen und Fakten zur Medienpolitik

    wohl eher mehr Meinungen, Fakten benötigen Wahrheitsgehalt.

     
     
  27. (Pingback)

    [...] Er schreibt: Sehr gern würden die Verlage auf eine Möglichkeit zurückgreifen, von Suchmaschinen und Aggregatoren nur indexiert und vielleicht mit einer Überschrift zitiert zu werden. Doch genau diese Differenzierungsmöglichkeit bietet Google wie die allermeisten anderen Aggregatoren nicht an. Ganz bewusst unterscheiden sie nicht zwischen dem Recht auf Indexierung und dem Recht der Nutzung von Inhalten. Sie interpretieren die Erlaubnis zum Indexieren als Erlaubnis zum Kopieren. [...]

    Lügen fürs Leistungsschutzrecht (1) « Stefan Niggemeier

    4. Juli 2012

     
  28. Das lange Gedächtnis der Axel Springer AG

    James Murdoch, einer der Söhne von Rupert Murdoch, hat vor Jahren die “Hamburger Erklärung” der Axel Springer AG unterzeichnet,
    http://www.hamburgdeclaration.org/
    http://www.encourage-creativity.org/signatories/

    Unter anderem heisst es dort:
    “We disagree with those who maintain that freedom of information is only established when everything is available at no cost.”

    Die Erklärung schient sich aber bei den Unterzeichnern die Erklärung nicht durchzusetzen. Die Axel Springer AG beitet die Bild.de immer noch kostenlos an. Anders als marktwirtschaftlich orientierte Häuser wie die NYT.

    Rupert Murdoch dagegen geht noch einen Schritt weiter:
    “News Corp confirms split as Rupert Murdoch steps back from papers”
    http://www.guardian.co.uk/media/2012/jun/28/news-corp-split-rupert-murdoch

    Interessant finde ich, dass drei Jahre nach Verlautbarung die Axel Springer das Papier nicht umgesetzt hat und andere das Zeitungsgeschäft zurückfahren. Skurrile Forderungen an Google werden keine vertraglichen Kundenbeziehungen ersetzen. Marktwirtschaft ist was anderes als der Lobbyismus der Axel Springer AG. Schade, der Gründer hatte sich klar zur Marktwirtschaft bekannt.

    Für Zeitungen insgesamt sieht es böse aus. Nach dem man in 25 Jahren Internet die Entwicklung tragfähiger Geschäftsmodelle verschlafen hat, geht’s nun abwärts:
    “Online-Werbeeinnahmen der Zeitungen schrumpfen – Rating-Agentur Moody’s senkt Ausblick für gesamte Branche”
    http://ne-na.de/online-werbeeinnahmen-der-zeitungen-schrumpfen-rating-agentur-moody-s-senkt-ausblick-fuer-gesamte-branche/001508

    Es sieht eher danach aus, dass Zeitungen eher die Dampflokomotiven des 21.Jahrhundert sind. Da sieht das “Leistungsschutzrecht” aus wie die Schutztarife von englischen Kohleheizern, die sinnlos auf E-Loks mit herumfuhren. Mit solchem Unsinn hat Maggie Thatcher gnadenlos Schluss gemacht.

    Google, Apple, Facebook, Microsoft, Amazon haben dagegen im Internet viele neue tragfähige Geschäftsmodelle gefunden, ohne ständig nach dem Gesetzgeber zu rufen wie die Axel Springer AG. Auch mit der Vermarktung von Content, deren Urheber sie nicht waren.

     
     
  29. Das Urhebergesetz nimmt mitnichten Definitionen von Gewerblichkeit vor, wie Sie schon wieder falsch behaupten. Und genau das führt zu Rechtsunsicherheit.
    Die Gerichte beurteilen die Gewerblichkeit nach §101 UrhG völlig willkürlich. Manche gehen sogar soweit, jedes Filesharen als gewerblich anzusehen, auch wenn keine Umsatzerlöse erzielt werden. Die Nennung der Gewerblichkeit im Urhebergesetz fürht nur zu Vermehrung von Willkür.
    http://www.it-recht-kanzlei.de/rechtsprechung-auskunftsanspruch.html

    Als der Herr Guttenberg seien Fälschungen mit Raubkopien, die zur Erlangung akademischer Graduierung nicht hinreichend waren, gegen Geld in Umlauf, verneinte der Staatsanwalt die Gewerblichkeit.

    Die Abgabenordnung hat dagegen klare Definitionen vorgelegt. Es muss Gewinnerzielungsabsicht vorliegen. Bei der Zeit auf Zeit.de ist zum Beispiel keine Gewinnerzielungsabsicht zu erkennen. Weder ist die Anzeigenmenge bei der Artikelvielzahl zur Gewinnerzielung geeiggnet, noch wird von den Lesern Geld verlangt. Steuerlich muss es sich dabei also um Liebhaberei handeln.

    Der LSR-Entwurf setzt noch eins drauf: wenn nur zur Eigenwerbung veröffentlicht wird (was bei bei Zeit Onlie ggf. für das Papierprodukt anzunhemen wäre, ist kein Leistungschutzrecht einzuräumen).

    Der geamte Entwurf läuft also in die Irren. Wenn die Axel Springer von wenigen Dutzend Aggregatoren Geld haben möchte (warum auch immer, statt andersherum), dan ist es völlig unverhältnismässig, dafür 80 Mio Deutsche zu belästigen. Unsere Verfassung gebeitet aber Verhältnismäßigkeit.

    Deshalb ist es der Axel Springer AG zuzumuten, wie die New York Times einzelvertragliche Regelungen zu finden, wer wem Geld wofür zahlen soll.

    Ausserdem ist es Humbug, wenn die Axel Springer AG zwar im Index von Google sein will, aber für eine bestimmte Anzahl von Buchstaben Geld haben will, ein Gesetz zu machen. Dies würde ein nationalstaatlicher, sozialistischer Sonderweg sein, weil die Axel Springer AG zu faul ist, mit Kunden Verträge zu schließen.

    Für ein globales Medium wie dem Internet ist es anders als bei einer geografisch limitierten Papierdistribution, dem Kerngeschäft der Axel Springer AG, anmgemessener zunächst Regeöungen bei der WIPO anzustreben. Da sie dieses aber nicht angeregt haben, nehme ich Ihnen die Ernsthaftigkeit Ihres Anliegens nicht ab.

    Es sieht eher so aus, als wolle die Axel Springer AG die Fortentwicklung des Internet mangels Fantasie für tragfähige Geschäftsmodelle maximal stören. In England wurde heute ein massives Open Data Projekt der UK-Regierung vorgestllt. In Deutschland hat man keine Zeit dafür, weil die Axel Springer AG ein LexKeese haben will und das Parlament vom Arbeiten abhält.

    Aber diese skurrilen Vorschläge gegen die Marktwirktschaft werden in D keine Chance haben. Frau Zypries hat sich wie bayerische Justizministerin beim Zugangserschwerungsgesetz Beate Merke verbrannt mit ihrer Hin udn Her-Politik. Für neuerliche Unsinnsgesetze wie das Zugangserschwerungsgesetze wird man im Bundestag keine Mehrheit finden.

     
     
  30. Brigitte Zypries

    Auch in der politischen Auseinandersetzung muss dem korrekten Zitieren ( haben sie bei mir gemacht) die korrekte Wiedergabe des Inhalts folgen: ja, ich habe gesagt, dass wir die Einführung eines Leistungsschutzrechtes prüfen und diskutieren müssen. Das haben wir getan – ausführlich- und uns dann dagegen entschieden. Denn die Abgrenzungsprobleme privat/ gewerblich sind zu schwierig und das google Problem ist weg, seit google jeden rausnimmt, der nicht zitiert werden will. Deshalb muss es dabei bleiben, dass die Verleger ihre inzwischen erfolgreichen Geschäftsmodelle weiter ausbauen und wir eine kleine Rechtsänderung machen was die Rechtsdurchsetzung anbelangt.

     
     
    • Christoph Keese

      Danke für den Beitrag. Ich habe verstanden: Sie haben wie zugesichert geprüft und sich nach der Prüfung dagegen entschieden.

      Gestatten Sie bitte trotzdem, dass ich Ihren beiden Einwänden unsere Argumente kurz entgegen halte:

      Abgrenzung privat / gewerblich: Das ist in der Tat keine leichte Aufgabe. Ich habe volles Verständnis für die Schwierigkeiten, denen der Gesetzgeber hier ausgesetzt ist. Aber das Problem betrifft ja nicht nur das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Das Urheberrechtsgesetz nimmt an mehreren Stellen Gewerbedefinitionen vor. Auch dort war es möglich, eine vernünftige Abgrenzung zu finden. Deswegen ist nicht ersichtlich, warum dies beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage aussichtslos sein sollte, was in der Konsequenz dazu führt, dass Verlage ihre Leistungen nicht mit Hilfe abgeleiteter Rechte der Urheber schützen können. Dies erhöht den Druck auf Total-Buy-Out-Verträge bei freien Mitarbeitern und schwächt deren Rechtsposition. Vielleicht könnte es sich für die SPD anbieten, noch einmal auf die vorhandenen Gewerblichkeitsdefinitionen im UrhG zu schauen und nach Wegen zu suchen, wie man gemeinsam mit der Koalition das Abgrenzungsproblem lösen kann. Nach unserer Recherche handelt es sich um folgende Stellen im Gesetz:

      § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG: Vervielfältigung zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn diese keinen gewerblichen Zwecken dient

      § 53a Abs. 1 UrhG: Kopienversand (Vervielfältigung und Übermittlung einzelner in Zeitungen und Zeitschriften erschienener Beiträge in elektronischer Form) zur Veranschaulichung des Unterrichts, soweit zur Verfolgung nicht gewerblicher Zwecke gerechtfertigt

      § 60 UrhG: Nicht zu gewerblichen Zwecken vorgenommene Verbreitung eines Bildnisses durch den Besteller des Bildnisses

      § 87c Abs. 1 Nr.1 und 2 UrhG: Vervielfältigung eines wesentlichen Teils einer Datenbank zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch, wenn der wissenschaftliche Gebrauch nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgt (Nr. 1) sowie zur Veranschaulichung des Unterrichts, soweit diese nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgt (Nr. 2).

      Nicht zitiert werden durch Google: Sehr gern würden die Verlage auf eine Möglichkeit zurückgreifen, von Suchmaschinen und Aggregatoren nur indexiert und vielleicht mit einer Überschrift zitiert zu werden. Doch genau diese Differenzierungsmöglichkeit bietet Google wie die allermeisten anderen Aggregatoren nicht an. Ganz bewusst unterscheiden sie nicht zwischen dem Recht auf Indexierung und dem Recht der Nutzung von Inhalten. Sie interpretieren die Erlaubnis zum Indexieren als Erlaubnis zum Kopieren. Dabei geht es längst nicht mehr nur um kurze Snippets. Zum Beispiel kopiert Googles eigener Preisvergleichs-Dienst “Shopping” Produktrezensionen von Wettbewerbsseiten. Dabei geht es um Längen von etwa 1.500 Zeichen – das ist meist schon fast der ganze Text. Natürlich immer ohne Bezahlung und ohne ausdrückliche Einwilligung. Das geschieht immer auf Basis der Einwilligung zum Indexieren, wie sie bei robots.txt gegeben wird. Wir finden, dass man den Verlagen nicht zumuten kann, sich vom Indexieren ausnehmen zu lassen und damit in der Internetsuche weitgehend unsichtbar zu werden (Marktanteil Google in Deutschland >90%), wenn es doch nur darum geht, die Übernahme von Texten in Anerkennung der Leistungen von Autoren und Verlagen lizenzpflichtig zu machen.

      Überdies ist zu bedenken, dass es nicht nur um Google geht. Es sind Dutzende neuer Aggregatoren entstanden, die komplette Texte übernehmen und ohne Lizenz an ihr eigenes Publikum ausspielen. Es handelt sich um gut gemachte Produkte, die ein Millionenpublikum anziehen und meistens auf Tablets funktionieren: Flipboard, Zite, Pulse, Pocket sind nur einige Beispiele. Der Tablet-Boom wird diese Nutzungsarten weiter extrem steigern. Leider sind diese Anbieter bisher nicht bereit, die aggregierten Produkte in der Breite gegen Geld zu lizensieren. Sie berufen sich alle auf die berühmt-berüchtigte Erlaubnis zum Indexieren. Man muss deswegen noch einmal deutlich sagen, dass Indexieren (gern auch mit einer Überschrift als Linkanker) und Kopieren zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Verlage müssen in der Lage sein, auf Lizensierung ihrer Leistungen zu bestehen. In Abwesenheit eigener Rechte werden sie von den meisten Aggregatoren aber nicht ernst genommen.

      Ein dritter Bereich muss ebenfalls erwähnt werden: Das Einscannen ganzer Zeitungen und Zeitschriften und Verkaufen dieser Scans auf Piratenplattformen. Dieses Geschäftsmodell greift immer weiter um sich.

      Mit einer kleinen Änderung bei der Rechtsdurchsetzung bekommt man diese Probleme leider nicht in den Griff.

       
       
      • Das Urheberrechtsgesetz nimmt an mehreren Stellen Gewerbedefinitionen vor. Auch dort war es möglich, eine vernünftige Abgrenzung zu finden.

        Zunächst mal gibt es nicht eine einheitliche Abgrenzung. Während OLG Köln und LG Frankfurt entschieden haben, daß die Veröffentlichung von Werken in einer Tauschbörse nur innerhalb eines gewissen Zeitraums nach Erscheinen als gewerblich anzusehen ist (1, 2), hält das OLG München jede Veröffentlichung durch Filesharing für gewerblich (3). Und ob man diese Bewertungen grundsätzlich als “vernünftig” betrachten kann, könnte man auch lange diskutieren.

        Sehr gern würden die Verlage auf eine Möglichkeit zurückgreifen, von Suchmaschinen und Aggregatoren nur indexiert und vielleicht mit einer Überschrift zitiert zu werden. Doch genau diese Differenzierungsmöglichkeit bietet Google wie die allermeisten anderen Aggregatoren nicht an.

        Haben Sie das hier schon versucht?

        Eventuell funktioniert es nicht bei Google News, aber vielleicht ließe sich mit Google darüber reden. Haben Sie es versucht?

        Es sind Dutzende neuer Aggregatoren entstanden, die komplette Texte übernehmen und ohne Lizenz an ihr eigenes Publikum ausspielen.
        [...]
        Ein dritter Bereich muss ebenfalls erwähnt werden: Das Einscannen ganzer Zeitungen und Zeitschriften und Verkaufen dieser Scans auf Piratenplattformen. Dieses Geschäftsmodell greift immer weiter um sich.

        Und das existierende Urheberrecht hilft bei kompletten Textübernahmen und Scans nicht? Oder haben Sie das noch gar nicht (auf juristischem Weg) versucht?

         
         
      • Mein Kommentar ging anscheinend verloren, deshalb nochmals:

        Das Urheberrechtsgesetz nimmt an mehreren Stellen Gewerbedefinitionen vor. Auch dort war es möglich, eine vernünftige Abgrenzung zu finden.

        Zunächst mal gibt es nicht eine einheitliche Abgrenzung. Während OLG Köln und LG Frankfurt entschieden haben, daß die Veröffentlichung von Werken in einer Tauschbörse nur innerhalb eines gewissen Zeitraums nach Erscheinen als gewerblich anzusehen ist (1, 2), hält das OLG München jede Veröffentlichung durch Filesharing für gewerblich (3). Und ob man diese Bewertungen grundsätzlich als “vernünftig” betrachten kann, könnte man auch lange diskutieren.

        Sehr gern würden die Verlage auf eine Möglichkeit zurückgreifen, von Suchmaschinen und Aggregatoren nur indexiert und vielleicht mit einer Überschrift zitiert zu werden. Doch genau diese Differenzierungsmöglichkeit bietet Google wie die allermeisten anderen Aggregatoren nicht an.

        Haben Sie das hier schon versucht?

        Eventuell funktioniert es nicht bei Google News, aber vielleicht ließe sich mit Google darüber reden. Haben Sie es versucht?

        Es sind Dutzende neuer Aggregatoren entstanden, die komplette Texte übernehmen und ohne Lizenz an ihr eigenes Publikum ausspielen.
        [...]
        Ein dritter Bereich muss ebenfalls erwähnt werden: Das Einscannen ganzer Zeitungen und Zeitschriften und Verkaufen dieser Scans auf Piratenplattformen. Dieses Geschäftsmodell greift immer weiter um sich.

        Und das existierende Urheberrecht hilft bei kompletten Textübernahmen und Scans nicht? Oder haben Sie das noch gar nicht (auf juristischem Weg) versucht?

         
         
        • Christoph Keese

          Danke für Ihren Beitrag. Genau solche Diskussionen kann man im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren dann ja führen. Die beste Lösung kenne ich auf Anhieb auch nicht. Klar scheint mir aber, dass es eine gute Lösung gibt. Und vielleicht ist die Lösung, die sie im Referentenentwurf des Leistungsschutzrechts vorgeschlagen wird, auch gar nicht so schlecht, wie ihre Kritiker behaupten.

           
           
          • Sie brauchen kein Gesetzgebungsverfahren, um die Fragen in meinem obigen Kommentar zu beantworten:

            Haben Sie bereits versucht, das Anzeigen von Snippets in Google News zu verhindern?

            Haben Sie bereits versucht, gegen komplette Textübernahmen und Scans vorzugehen? Zusätzlich: Falls ja, scheiterte das dann wirklich an einer Gesetzeslücke?

               
             
             
          • kleitos

            Aha – und haben Sie denn bereits den von Michael Butscher im vorherigen Kommentar genannten Weg beschritten und die Funktionalitäten von Goolge und Google-News angewendet?

            Wäre schön, wenn Sie darauf mal mit einem einfachen “ja” oder “nein” antworten würden.

               
             
             
          • Die Frage, ob der Springer-Verlag und die anderen Verlage das nosnippet Meta-Tag ausprobiert haben, stellt sich nicht. Denn sie wissen genau, dass der geneigte Leser eher auf einen Link klickt, bei dem er zumindest eine Vorschau hat. Mit Meta-Tags könnte auch ein eigenes Snippet erzeugt werden, das dem Leser nicht zu viel verrät, so das nicht zu befürchten ist, dass er sich den Klick spart weil er durch das Snippet schon alles weiß. Obwohl diese Argumetation für sich schon Schwachsinn ist. Wenn die Verlage tatsächlich Angst davor haben, das die Leser durch die Snippets schon soviel Infos haben, das sie die Artikel nicht mehr anklicken, geben sie ja zu, dass der Informationsgehalt der durch das LSR geschützt werden soll, sich auf zwei, drei Sätze beschränkt und der Rest des Artikels unnötiger Füllstoff ist. Das würde mir dann allerdings zu denken geben.

               
             
             
      •  
  31. Robert Kindermann

    Frau Zypries sagte mehrfach: “Des­halb soll­ten wir in der kom­men­den Le­gis­la­tur­pe­rio­de ein ei­ge­nes Leis­tungs­schutz­recht für Ver­la­ge ernst­haft dis­ku­tie­ren.”

    Es wurde jetzt ernsthaft diskutiert, es wurde ernsthaft eine Vorlage vorgebracht und jetzt kann sie auch ernsthaft sagen, dass wir so etwas nicht brauchen. So sehr steht das nun nicht im Widerspruch zu ihrer Aussage, oder?

    Wenn Politiker etwas ernsthaft einführen wollen, sagen Sie das meistens auch. Da steht dann “für ein Leistungsschutzrecht ernsthaft einsetzen” oder “ein Leistungsschutzrecht ernsthaft umsetzen”.

     
     

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