Damals, als Fernsehlizenzen noch ihre
Berechtigung hatten. Lange ist es her.
In der neuen Ausgabe des medienpolitischen Magazins „promedia“ erscheint ein Interview, das Herausgeber und Chefredakteur Helmut Hartung mit mir geführt hat. Es dreht sich um die Frage, ob Bild.de eine Fernsehlizenz benötigt und welche Folgen die stürmischen Entwicklung des Internets für das Rundfunkrecht hat. Das Interview wird hier mit freundlicher Genehmigung von promedia wiedergegeben. Zur leichteren Auffindbarkeit sind die wichtigsten Aussagen rot markiert. Die Hervorhebungen stammen von mir.
Kritisch bewertet auch Hans Hege, Direktor der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), die Zukunftsfähigkeit des gegenwärtigen Lizenzrechts. In derselben promedia-Ausgabe spricht er sich dafür aus, auf die Lizenzierung von Online-Videoangeboten und klassischen TV-Sendern künftig komplett zu verzichten. Andere Kontrollmechanismen sollten an die Stelle der bisherigen Regulierung treten. Hege: „Dass Medien grundsätzlich zulassungsfrei sind, ist im Pressebereich erkämpft worden, und sollte nun für alle Medien des Internetzeitalters gelten. So wenig besonders wertvolle Kapazitäten notwendig mit dem Rundfunk verbunden sind, ist es heute ein besonderer Einfluss auf die Meinung.“
Hier das Interview mit mir:
promedia: Herr Keese, Sie sind seit wenigen Wochen der neue Vorsitzende der Jury für den Deutschen Fernsehpreis. Welches Verhältnis haben Sie als Zeitungsmann zum Fernsehen?
Keese: Es ist mein drittes Jahr in der Jury. 2010 war ich Co-Vorsitzender mit Bettina Boettinger. Insofern kenne ich die Arbeit dort schon etwas. Einen Schwerpunkt lege ich innerhalb der Jury auf Non-Fiction – den Bereich, aus dem ich komme. Aber alle Jurymitglieder sehen alle Filme und stimmen über alles ab. Mein Blick auf Fiction ist durch die Juryarbeit im Laufe der Zeit sicherlich professioneller geworden. Deswegen empfinde ich die Juryarbeit als gewinnbringend.
promedia: Gewinnbringend wofür?
Keese: In der Jury sitzen neben Journalisten auch Schauspieler, Regisseure, Autoren und Produzenten. Von ihnen habe ich viel gelernt. Wann ist ein Schauspieler richtig gut? Was zeichnet ein gutes Drehbuch aus? Was kann die Kamera in einem Dokumentarfilm leisten? Da schaue ich anders hin als früher. Auch bei meinen eigenen TV-Arbeiten fällt mir auf, wie unterschiedlich Print und Fernsehen funktionieren. Zeitungen können Dinge erzählen, die das Fernsehen nicht zeigen kann, umgekehrt aber kann das Fernsehen Sachen entdecken, die Print nicht einfängt. Die Kamera enthüllt sofort, ob jemand mit Menschen umgehen kann, ob er auf Krampf locker sein möchte, ob er sich wirklich für die Antworten der Leute interessiert, ob er soziale Distanz aufbaut oder sie vergessen macht, ob er in sich ruht oder eine Fassade vor sich herträgt. Gerade weil die Porträtierten wissen, dass eine Kamera sie beobachtet, entblößen sie viel von ihrer Innenwelt durch die Rolle, die sie für die Kamera spielen. Ein Printautor verändert die Szene nicht so stark, die er beobachtet. Das hat viele Vorteile, aber auch Nachteile. Eine Szene durch die eigene Anwesenheit kaum oder sehr stark zu verändern – das ist beides auf sehr unterschiedliche Weise journalistisch aufschlussreich.
promedia: Hat das Fernsehen Ihrer Meinung nach noch die gleiche Bedeutung für Meinungsbildung und Meinungsbeeinflussung wie wir das vor Jahren registriert haben?
Keese: Es übt weiter großen Einfluss aus. Bilder prägen sich tief in das Gedächtnis ein. Dokusoaps beeinflussen unser Bild von der Wirklichkeit. Comedy wirkt geschmacksbildend und geschmacksabstumpfend zugleich. Talk ist Gesellschaftstherapie. Zappen hat das Surfen vorweg genommen. Serien erweitern gesellschaftliche Muster der Narration – es werden Endlosgeschichten erzählt, deren epische Struktur dem wahren Leben ziemlich nahe kommt. Unser Ängste und Alpträume werden auf dem Bildschirm immer wieder aufs Neue dramatisiert. Mythen werden abgeleitet und neu eingeflößt. Gesellschaft und Fernsehen sind symbiotisch verflochten. Neil Postman hatte zwar Recht mit seiner Kritik, dass beim Fernsehen das Problem nicht darin besteht, dass es unterhaltende Stoffe liefert, sondern darin, dass es alle Stoffe zu Unterhaltung verwandelt. Das Wort „Infotainment“ stammt ja von Postman selbst, und die von ihm vorausgesagte Infantilisierung ist zu einem gewissen Grad auch eingetreten. Allerdings hat das Fernsehen gerade durch seine Dominanz auch neue Räume der Ernsthaftigkeit ermöglicht – in anderen Medien und im Fernsehen selbst. Das Fernsehen ist trotz seiner gespielten Dramatik über weite Strecken ausgesprochen unernst. Der Indikativ ist aus der Mode gekommen. Selbst Nachrichtensendungen meinen, sie müssten die Wucht ihrer eigenen Wirkung durch den Gestus des wohlmeinenden, etwas harmlosen Erziehers abmildern. Zugleich gibt das Fernsehen aber auch Raum für grandiose Projekte und wichtige aufklärerische Arbeit. Woran ich nicht mehr glaube, ist die Notwendigkeit einer eigenen Gesetzgebung für das Fernsehen. Die Regeln, die in Zeiten der Frequenzknappheit wegen der suggestiven Kraft des Fernsehens geschaffen worden sind, bilden die Medienwirklichkeit heute nicht mehr ab. Es stellt sich die Frage, ob sie noch zukunftsfähig sind.
promedia: Aber die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit den Begriffen, die Sie zitiert haben sind doch noch immer die Basis der Medienpolitik.
Keese: Es ist zwar noch die Basis der Medienpolitik, aber es gibt auch kritische Stimmen, die anregen, über den Rundfunkbegriff, wie er heute definiert ist, neu nachzudenken, weil die Scheintrennung zwischen Rundfunk und Nicht-Rundfunk nicht mehr der Realität entspricht. Das Internet passt nicht in die Systematik des heutigen Rundfunkbegriffs. Die Hilfskonstruktionen erweisen sich zunehmend als nicht mehr tragfähig.
promedia: Angesichts der immer zahlreicher werdenden Videos auf Bild.de ist das ja ein naheliegendes Thema für Sie…
Keese: Bild.de ist eines der größten Informations- und Unterhaltungsportale in Deutschland. Das Internet lebt von seinem multimedialen Charakter. Fotos sind genauso integraler Bestandteil wie Videos und Text. Dabei ist medienrechtlich zweifelsfrei, dass weder Text noch Video on demand einer staatlichen Lizenz bedürfen. Das ist spätestens seit der Definition des Rundfunks als lineares audiovisuelles Angebot auch in Deutschland geklärt. Die medienrechtliche Diskussion geht allein darum, ob das Video, das ohne weiteres zum Download angeboten werden darf, eine staatliche Lizenz benötigt, wenn es eine Millisekunde vorher live ausgestrahlt wurde.. Das kann man niemandem mehr schlüssig erklären, wenn wie im Internet die Zahl derjenigen, die solche Live-Videos anbieten können, unbegrenzt ist.
promedia: Nun hat die ARD-Vorsitzende Monika Piel vor einigen Wochen erklärt, dass ihrer Meinung nach die Videos von Bild.de Rundfunk seien und eine Lizenz benötigen, die sie bis jetzt nicht haben. Sie haben dem widersprochen. Warum ist das Ihrer Meinung nach kein Rundfunk?
Keese: Weil es die Voraussetzung des Rundfunks, wie er im Staatsvertrag definiert ist, nicht erfüllt und deswegen keine Lizenz benötigt. In § 2, Absatz 2, Ziffer 1 des Staatsvertrags steht: „Rundfunkprogramm ist eine nach einem Sendeplan zeitlich geordnete Folge von Inhalten.“ Ein solches Programm veranstalten wir derzeit nicht. Die Live-Videos bei Bild.de sind Einzelereignisse. Es gibt weder einen Sendeplan noch eine zeitlich geordnete Folge von Inhalten. Dass Bild.de hin und wieder eine SKL-Show, eine Hochzeit im englischen Königshaus und einige Fußballspiele live überträgt, macht es nach unserer Rechtsauffassung noch nicht zum Rundfunkprogramm im Sinne des Gesetzes.
promedia: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem achten Rundfunkurteil besonders für Rundfunk die Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft als dessen Kennzeichen hervorgehoben. Aber diese Merkmale weisen die Videos und Livestreams von Bild.de auf.
Keese: Die Epoche, in der Fernsehfrequenzen knapp waren, also vor allem die 60er und 70er Jahre, haben die Rechtsprechung geprägt. Im 3. Rundfunkurteil von 1981 heißt es zwar: „Diese Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung besteht auch dann, wenn die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt.“ Dennoch gilt es heute, der stürmischen Entwicklung des Internets Rechnung zu tragen. Was jetzt geschieht, war in den Siebzigern und Achtzigern nicht vorhersehbar. Würden Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft die bestimmenden Merkmale des Rundfunkbegriffs bleiben, müsste wohl auch die Bundeskanzlerin eine Fernsehlizenz für ihren Videoblog beantragen. Und sich des Verdachts erwehren, dass sie im Kanzleramt einen Piratensender betreibt. Ebenso wären Millionen anderer Videoblogger betroffen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Staat zur Abwehr potentieller Gefahren auf einer Lizenzpflicht für Internet-Angebote bestehen sollte, wenn er dadurch die Presse- und Meinungsfreiheit unnötig und unverhältnismäßig einschränkt. Die Pressefreiheit ist über die Jahrhunderte gegen Staat und Fürsten erstritten worden. Sie ist ein hohes Gut. Für eine Zeitschrift oder Zeitung benötigt man in Deutschland keine Lizenz. Im Internet sollte das nicht anders sein, auch wenn die Bilder sich bewegen.
promedia: Das ist bei Rundfunkangeboten aus gutem Grund bisher anders…
Keese: In der analogen Welt, in der es weniger Sendeplätze als Bewerber gab und teilweise noch gibt, muss der Staat eine Auswahlentscheidung treffen und kann so eine Lizenzpflicht rechtfertigen. Ob eine Lizenzpflicht allein mit dem Schutz gegen publizistischen Missbrauch zu rechtfertigen ist, darf bezweifelt werden. Bei der Presse hat die liberale Kombination aus Lizenzfreiheit, Selbstregulierung und kompetenter Gerichtsbarkeit mindestens ebenso gut funktioniert. Wenn man die Presse der Interaktion von Verlagen, Journalisten, Publikum und Judikative überlässt, fährt man gut. Lizenzen braucht es da nicht. Mir leuchtet nicht ein, wo der Reiz liegen soll, das restriktive Rundfunkrecht nun auf das Internet zu übertragen. Viel logischer erschiene mir, das bewährte Gestaltungsmodell der Presse anzuwenden. Es gibt auf zugangsoffenen Plattformen keinen überzeugenden Grund für den Staat, das Recht auf freie Meinungsäußerung durch Lizenzen präventiv einzuschränken. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Gesellschaft präventiv vor den Meinungsäußerungen von Bürgern zu beschützen. Sehr wohl ist es aber das Recht des Bürgers, sich frei zu äußern. Das damit verbundene Risiko missglückter Äußerungen ist vom Staat hinzunehmen. Meinungsfreiheit ist wichtiger als die Abwehr theoretischer Gefahren.
promedia: Andererseits hat Bild.de heute schon eine sehr große Reichweite. Wenn Sie diese mit der Reichweite der gedruckten Bildzeitung kombinieren, erreicht man ein Millionenpublikum und mit den Online-Videoangeboten auch die entsprechende Suggestivkraft. Also, besteht nicht zumindest potenziell eine Gefahr, die Kriterien, die das Verfassungsgericht für Fernsehen genannt hat, auch mit Ihren neuen Angeboten zu erfüllen?
Keese: Ein interessantes Argument. Sollen dann wie bei der KEK Reichweiten unterschiedlicher Medien mit Faktoren gewichtet und zusammen gezählt werden? Das wäre fast gleichbedeutend mit der Einführung einer Lizenzpflicht für die Presse. Wenn man das nicht will, stellt sich sofort die Frage nach der Abgrenzung. Die meisten Redaktionen produzieren heute in Newsrooms. Wo verläuft dann dort die Grenze zwischen Lizenzpflicht und Lizenzfreiheit? Ein Text in der Zeitung ist lizenzfrei, derselbe Text online fällt in eine Grauzone, sobald der Redakteur seinen Text als Kommentar in eine Kamera vorliest und live im Internet sendet, ist es dann lizenzpflichtiger Rundfunk. Das kann nicht funktionieren. Bei einer Definition von Rundfunk durch Reichweiten träte zudem das Problem auf, dass vergleichsweise harmlose Reichweitenriesen wie YouTube, Google und Facebook sofort lizenzpflichtig wären, während der aggressive Kleinst-Videoblog eines Hasspredigers mangels Reichweite weiter lizenzfrei bliebe.
promedia: Der Staatsvertrag hat, um diese Absurdität zu reduzieren, die 500-Zugriffsschwelle eingeführt. Das heißt, alle Portale bzw. Videoabrufe unter 500 Nutzern benötigen keine Lizenz…
Keese: Die 500er-Grenze stammt aus der Zeit des Kabelfernsehens, als man die Fernsehverteiler in Wohnblocks vor dem Senderstatus bewahren wollte und dafür eine Bagatellschwelle schuf. Diese Regelung hat man auf das Internet übertragen, nur dass sie dort nicht mehr sinnvoll ist. Das Gesetz spricht von 500 potentiellen gleichzeitigen Abrufen. Im Gesetzestext heißt es: „Kein Rundfunk sind Angebote, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden.“ Da aber vom kleinsten Blogger bis zum größten Verlag niemand seine Videos selber hostet, sondern auf Serverfarmen hinterlegt, die bedarfsskaliert ausspielen, ist damit auch der kleinste Videoblog in der Lage, 500 gleichzeitige Nutzer zu bedienen, sogar Hunderttausende. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass die zitierte Vorschrift im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass alles über 500 Abrufen Fernsehen ist. Anders ausgedrückt: Wenn unter 500 Abrufen „kein Rundfunk“ vorliegt, folgt daraus nicht, dass es über 500 unbedingt Rundfunk sein muss. Kurzum: Die Vorschrift ist technisch überholt und praktisch nicht anwendbar, ohne die ganze Blogosphäre sendelizenzpflichtig zu machen.
promedia: Wie sollten Bewegtbildinhalte hinsichtlich der Regulierung und die Lizensierung künftig behandelt werden?
Keese: Vieles spricht dafür, die liberale Regelung der Presse zu übernehmen. Jeder darf lizenzfrei Bewegtbilder ins Netz stellen. Jeder ist eingeladen, sich einer Selbstregulierung zu unterwerfen. Wer es nicht tut, setzt sich der Gefahr öffentlicher Ächtung aus. Jeder kann vor einem Gericht auf Grundlage der allgemeinen Gesetze verklagt. Jeder Kläger findet dort sein Recht. Man könnte erwägen, das Gegendarstellungsrecht über die klassische Presse hinaus wirken zu lassen, wobei selbst das schon unnötig sein könnte. Wer sich im Internet falsch zitiert oder behandelt wird, schreibt einen Kommentar unter den Beitrag. In weiten Teilen des Netzes funktioniert das heute einwandfrei.
promedia: Das heißt dann aber in aller Konsequenz, dass auch für das klassische Fernsehen auf jegliche Art der Lizenzierung verzichtet werden müsste.
Keese: Wohl wahr. Spätestens, wenn Internet und Fernsehen technisch verschmolzen sind, muss man sich das fragen. Aber auch heute schon mutet der Regulierungsunterschied seltsam an. Die WELT-App mit einzelnen Bewegtbildangeboten auf meinem iPad bedarf keiner Sendelizenz, während die TV-Sender, die Zattoo / TV Digital auf das iPad bringen, nur mit staatlicher Genehmigung ausgestrahlt werden dürfen. Ein und derselbe Bildschirm, dahinter zwei verschiedene rechtliche Regelungssysteme – das wird auf Dauer keinen Bestand haben können, denn was heute noch die Ausnahme wird, ist in Zukunft der Normalfall.
promedia: Also HbbTV…
Keese: Ja, genau. Wenn Fernsehen und Internet verschmolzen sind, werden unterschiedliche Regulierungen endgültig zum Anachronismus.
promedia: Angenommen, man schafft die Lizenzierung generell für Bewegtbildinhalte ab. Ist es dann nicht aber notwendig, zumindest bestimmte Teilbereiche, die für Verbraucher wichtig sind, zu regulieren oder auch einheitliche Werberegelungen generell für Bewegtbild einzuführen?
Keese: Warum sollten die Werberegelungen im Internet restriktiver werden, wo sie doch schon im Fernsehen übertrieben sind? Ein Beispiel: Rundfunkprogrammen ist es laut Staatsvertrag verboten, politische und weltanschauliche Werbung zu senden. Warum aber sollten CDU, SPD, FDP, Grüne oder die Piraten nicht einen Spot bei FAZ.net oder WELT ONLINE schalten dürfen? Warum sollte ZEIT ONLINE Werbung von Amnestie International ablehnen? Oder denken Sie an das Werbeverbot auf geteilten Bildschirmen. Auf Computerbildschirmen sind meist viele Fenster geöffnet. Warum sollte ein solches Fenster keine Splitscreen-Werbung enthalten dürfen?
promedia: Warum ist es für Sie so wichtig, ob Onlinevideos Rundfunk sind oder nicht?
Keese: Die Tatsache, dass wir Anregungen in die Debatte einbringen, bedeutet nicht, dass wir daraus eine Selbstermächtigung zur Gesetzesübertretung ableiten würden. Wenn wir nach geltendem Recht eines Tages lizenzpflichtig werden sollten, beantragen wir eine Lizenz. Das steht außer Frage. Wir schätzen die Landesmedienanstalten. Sie sind kompetent und kooperativ. Dennoch können wir uns aus grundsätzlichen und praktischen Erwägungen nicht vorstellen, von ihnen reguliert werden.
promedia: Bei der Diskussion um die Rundfunkfrequenzen sieht man, wie der Staat und teilweise auch die Verfassung den Rundfunk und die Verbreitungswege des Rundfunks schützen. Sie sind künftig bei Ihren Onlineangeboten auch auf elektronische, digitale Verbreitungswege angewiesen und müssten doch eigentlich froh sein, ein bisschen Rundfunk zu sein, um unter das schützende Dach zu kommen…
Keese: Das Internet ist auch ohne staatliche Hilfe gut gewachsen. Es hat sich von staatlicher Finanzierung und Einflussnahme emanzipiert. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass das Internet auf staatliche Gründung und Patronage zurückgeht sowie in seinen Anfangsjahren ohne staatliche Infrastruktur wie etwa die Universitätsnetze nicht ausgekommen wäre. Heute ist das Netz volljährig und selbständig. Außer guter Rahmengesetzgebung benötigt es Hilfen vom Staat nicht mehr.
promedia: Aber es wird intensiv über Netzneutralität, über Überlegungen von Anbietern bei der Weiterleitung der Daten verschiedene Geschwindigkeiten einzuführen. Benötigen sie künftig nicht doch staatlich Hilfe, damit auch Ihre Angebote diskriminierungsfrei verbreitet werden?
Keese: Tatsächlich kann nur in zugangsoffenen und neutralen Netzen der für die Presse- und Medienfreiheit wesentliche publizistische Wettbewerb der redaktionellen Inhalte stattfinden. Wir sehen keinen Grund, diese Strukturprinzipien in Richtung einer Bevorzugung bestimmter Medienformate oder bestimmter Medien durch die Betreiber der Internet-Infrastruktur zu ändern. Auf dem Weg von proprietären Online-Portalen hin zu dem heutigen offenen Internet hat der freie Wettbewerb der Netzanbieter die Neutralität des Netzes weitgehend gesichert. Wir hoffen, dass das so bleibt. Allerdings müssen etwaige Änderungen sehr aufmerksam beobachtet und transparent gemacht werden.
promedia: Ist es Ihnen gleichgültig, wie hoch Ihr Eintrittspreis für Ihre Online- oder Mobile-Angebote künftig sind?
Keese: Nein, in keiner Weise.
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