Klage gegen die Tagesschau-App: Protokoll der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Köln

Gedränge auf dem Flur des Landgerichts Köln
vor der Verhandlung

Am Donnerstag, 13. Oktober 2011, fand vor der Wettbewerbskammer des Landgerichts Köln unter dem Vorsitzenden Richter Dieter Kehl die erste Verhandlung zur Klage von acht Verlagen gegen die App der Tagesschau statt. Die Spanne der Möglichkeiten, die ein Zivilgericht hat, auf eine solche Klage zu reagieren, ist breit. Um nachvollziehen, was im Gerichtssaal geschehen ist, sind Details unerlässlich. Hier deswegen eine ausführliche Zusammenfassung. Es sei betont, dass ich in der Sache befangen bin, da mein Arbeitgeber zu den Klägern zählt und ich die Klage inhaltlich für geboten halte. Gleichwohl bemühe ich mich um eine sachliche Darstellung.

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Zum Beitrag des ARD-Magazins Kontraste über die Verlagsklage


Foto: ARD / RBB

Es verlangt Mut, als Journalist über das eigene Haus zu berichten und dabei auch Kritikern angemessenen Raum zur Stellungnahme zu geben. Das Magazin „Kontraste“ vom RBB hat diesen Mut heute Abend im Ersten bewiesen. Acht Verlage, darunter mein Arbeitgeber, klagen gegen ARD und NDR, weil die „Tagesschau“-App eine elektronische Zeitung ist und Grenzen, die der Rundfunkstaatsvertrag setzt, deutlich überschreitet. Schon deswegen bin ich befangen, auch weil ich im Film selber vorkomme. Gespannt habe ich auf die Ausstrahlung gewartet, um zu sehen, wie die „Kontraste“-Redaktion mit diesem schwierigen Thema umgeht. Der Redaktion muss ich ein Kompliment machen: Sie hat versucht, dem Publikum die komplizierte Materie zu erklären, und sie hat die ARD-Kritiker fair behandelt. Aufgezeichnet hat das Team geschätzte 20 Minuten Interview mit mir, aber es hat die kurzen Ausschnitte dann in einen sinnvollen Kontext gestellt, nicht aus dem Zusammenhang gerissen und nicht aus dem Off konterkariert. „Zapp“, das Medienmagazin des NDR, hätte vermutlich eine Polemik aus dem Stück gemacht, „Kontraste“ hingegen hat Information geliefert. Die Autoren des Beitrags steckten tief im Thema und stellten beim Interview kluge Fragen (die im Beitrag nicht zu sehen waren). Moderatorin Astrid Frohloff, eine der besten ihres Fachs, hat die Pein der Redaktion bei der Wahl des Themas in der Anmoderation thematisiert und damit auch potentiellen Kritikern im eigenen Hause vorauseilend entgegengehalten, dass „Kontraste“ nicht dafür da ist, PR für die ARD zu machen.

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Lieber Mario Sixtus

zu Ihrem Brief gern eine Antwort.

Ob wir nur selten einer Meinung sind, kann ich nicht beurteilen. Das Leistungsschutzrecht ist jedenfalls keine Zwangsabgabe auf Internet-Nutzung. Verlage haben mit ihren Angeboten im Internet auch nicht durch die Bank versagt, ebenso wenig fordern sie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Sie ermuntern die ARD zum Einhalten des Staatsvertrags, mehr nicht. Eine Generalschuld an irgendetwas weisen die Verlage den Öffentlich-Rechtlichen nicht zu. In den USA stirbt auch nicht eine Zeitung nach der anderen, viele Nachrichten-Angebote im Web schlagen sich dort gut. Verlage treten für faire Rahmenbedingungen ein: Schutz geistigen Eigentums und Respekt vor der gesetzlichen Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Medien. Das ist nicht zuviel verlangt.

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Schwarzer Freitag

Jakob Augstein, Herausgeber des „Freitag“, hat auf seiner Seite über die Klage gegen die Tagesschau-App und über die Verleger-Initiative für ein Leistungsschutzrecht geschrieben. Titel: „Das Panik-Orchester. Die Zeitungsverlage kämpfen gegen Blogger und öffentlich-rechtliche TV-Sender. Es geht ihnen um die Privatisierung des Internets.“ Augstein schreibt schwungvoll und gut, allerdings im Laufe eines Monats über viele unterschiedliche Themen und offenbar unter Zeitdruck. Ihm bleibt wenig Zeit für Recherche. Deswegen haben sich zahlreiche Sach- und Fachfehler in seinen Beitrag eingeschlichen. Hier eine Auswahl:

  1. Die Zeitungsverlage kämpfen nicht gegen Blogger. Sie haben dem Gesetzgeber offiziell vorgeschlagen, dass das Leistungsschutzrecht auch für Blogger gelten solle. Weil Blogger oft Autor und Verlag in in einer Person sind, wären sie als Autor durch das Urheberrecht und als Verlag durch das Leistungsschutzrecht geschützt, falls der Gesetzgeber diesem Vorschlag folgt.

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Die Tagesschau als elektronische Zeitung

von Christoph Keese

Bei der ARD-Intendantentagung in Würzburg hat Vorsitzende Monika Piel die Tagesschau-App erneut gegen die Kritik der Verlage verteidigt. „Das Angebot ist definitiv nicht presseähnlich, sondern programm- und sendungsbegleitend“, zitierte der Nachrichtendienst Frau Piel am 28. Juni 2011. Man habe die Tagesschau-App dem Drei-Stufen-Text unterzogen, den sie bestanden habe. „Die App liefert auf einen Knopfdruck nur das, was ohnehin auf Tagesschau.de steht“, sagte Piel. Dies sei kein Presseererzeugnis, sondern vor allem Video- und Audiomaterial. „Dies ist unsere Kernkompetenz.“

Monika Piel ist eine hoch geschätzte Intendantin, die beim WDR und in der ARD ausgezeichnete Arbeit leistet. Auch im Verhältnis mit den Verlagen setzte sie sich immer für Ausgleich und gegenseitiges Verständnis ein. Sie gehörte stets zu jenen, die den Dialog pflegen und ein offenes Ohr für gute Argumente haben. Das gilt für die Vergangenheit und wird zweifellos auch in der Zukunft so sein. Dennoch sollte die zentrale Aussage, die sie in Würzburg gemacht hat, einem kritischen Vergleich mit der journalistischen Wirklichkeit bei Tagesschau.de unterzogen werden. Denn Tagesschau.de liefert weitaus mehr als Videos- und Audiomaterial. Es ist eine fast vollwertige elektronische Zeitung.

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Warum Verlage gegen die ARD klagen

(Aktualisierte Fassung. Es sind einige neue Fragen und Kritikpunkte aufgenommen worden. Sie sind blau markiert.)

Die Klage von acht Verlagen, darunter die Axel Springer AG, gegen ARD und NDR hat für erhebliches Aufsehen gesorgt. Neben Sympathie für das Vorgehen sind bei Twitter und in Blogs viele Fragen und kritische Anmerkungen erschienen, auf die ich eingehen möchte.

Vorab sei angemerkt: Ich bin in dieser Sache befangen, da mein Arbeitgeber klagt, ich diese Klage für richtig und unvermeidbar halte sowie selbst an der Vorbereitung beteiligt war. Trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) glaube ich, dass es auf die meisten kritischen Anmerkungen überzeugende Antworten gibt. Nicht zuletzt deshalb, weil wir uns die Klage nicht leicht gemacht, sondern wir uns viele dieser kritischen Fragen vorher selbst gestellt haben. Am Ende haben wir uns für die Klage entschieden, weil wir keine andere Möglichkeit mehr gesehen haben, das legitime Interesse der freien Presse gegen die ungehemmte Expansion der öffentlichen Sender zu verteidigen. Die Klage ist nicht das Arbeitsergebnis verzweifelter und klagewütiger Verleger, die Schutz vor dem rauen Markt suchen. Sondern sie ist ein letztes, keineswegs wünschenswertes Mittel in einer langen medienpolitischen Auseinandersetzung. Viel lieber wäre es uns gewesen, eine gütliche Einigung mit der ARD oder der Politik zu erreichen. Dies war trotz aller Bemühungen jedoch nicht möglich. Daher blieb nichts anderes übrig als die Ultima Ratio.

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ARD und ZDF brauchen keinen neuen Jugendkanal. Eine Antwort auf Peter Boudgoust

Der kluge und allseits geschätzte Peter Boudgoust ist zum Intendanten des Südwestrundfunks (SWR) wiedergewählt worden. Dazu herzlichen Glückwunsch. Gleich nach der Wahl gab er wichtige Ziele seiner zweiten Amtszeit kund. Dafür gebührt ihm Respekt. Jeder weiß nun, woran er ist. Neben manchem Notwendigen kündigte Boudgoust auch an, sich für einen neuen Jugendsender von ARD und ZDF einzusetzen. An dieser Stelle sollten Politik, Gebührenzahler und Öffentlichkeit dem Intendanten jedoch entgegen treten. Für einen weiteren öffentlich-rechtlichen Fernsehsender gibt es keinen Bedarf. Der ungezügelten Expansion von ARD und ZDF sollte endlich Einhalt geboten werden.

Schon heute sind die Öffentlich-Rechtlichen veritable Medienkonzerne, die ihre privaten Konkurrenten nach Umsatz, Mitarbeiterzahl und Produktionsvolumen in den Schatten stellen. Im Jahr 2010 kam die ARD laut jüngstem Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf rund 6,2 Milliarden Euro Umsatz und ist damit mehr als doppelt so groß wie etwa die Axel Springer AG oder Gruner+Jahr. Das ZDF setzte 2,06 Milliarden Euro um. Rechnet man das DeutschlandRadio mit 209,4 Millionen hinzu, kommen die Öffentlich-Rechtlichen insgesamt auf 8,5 Milliarden Euro Umsatz. Kein privates Unternehmen macht allein im Inland mit Medien so viel Umsatz wie die öffentlich-rechtlichen Sender.

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Der Unterhaltungsdampfer ARD

(Dieser Artikel bezieht sich nicht auf meinen Dialog mit Daniel Schultz. Wer diesen sucht, bitte weiter nach unten rollen.)

Wofür geben ARD und ZDF ihr Geld aus? Deutschland hat das opulenteste öffentlich-rechtliche Fernsehen der Welt, und die preußischste Behörde, die darüber wacht. Dies ist die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“, kurz KEF genannt. Das Verfahren, mit dem ARD und ZDF an ihr Geld kommen, gleicht dem eines Militärbeschaffungsamtes. Zuerst verkündet die Politik per Rundfunkstaatsvertrag, welche Aufgaben die Öffentlich-Rechtlichen erledigen sollen, dann melden die Anstalten ihren „Bedarf“ bei der KEF an. Diese prüft, streicht ein wenig, gibt den Bedarf frei, teilt die Summe durch die Zahl der Gebührenzahler und errechnet daraus die Rundfunk- und Fernsehgebühren, die jedermann zu zahlen hat.

Ob ein Auftrag – also zum Beispiel ein neuer Sender oder das Wegschnappen der Champions-League-Rechte von den Privaten – sinnvoll ist, prüft die KEF nicht. Sie darf es nicht prüfen. Über Sinn und Unsinn von Aufträgen entscheidet allein die Politik. Für die KEF geht es nur darum, das manchmal Sinnvolle und oft genug Sinnlose korrekt nachzurechnen und dann abzustempeln.

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